Winnenden-Prozess: Staatsanwaltschaft fordert 21 Monate auf Bewährung

Winnenden-Prozess: Staatsanwaltschaft fordert 21 Monate auf Bewährung
Knapp vier Jahre nach dem Amoklauf von Winnenden hat die Staatsanwaltschaft am Freitag eine Strafe von einem Jahr und neun Monaten mit dreijähriger Bewährung für den Vater des Amokläufers gefordert. Jörg K. soll von den Tötungsfantasien seines Sohnes gewusst haben. Hauptvorwurf ist laut Staatsanwaltschaft aber, dass er die Tatwaffe samt Munition offen zugänglich im Schlafzimmer aufbewahrt habe.

Gegen Jörg K. wurde zehn Tage lang wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt. An zwei weiteren Terminen Ende nächster und in der übernächsten Woche sollen die Vertreter der Nebenkläger und die Verteidiger ihre Plädoyers halten. Ein Urteil wird frühestens im Februar erwartet.

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Der Vater des Amokläufers Tim K. habe durch die Aufbewahrung von Waffe und Munition im Schlafzimmer ein hohes Maß an Pflichtwidrigkeit gezeigt, erklärte die Staatsanwaltschaft. Dies sei kein Augenblicksversagen gewesen, sondern "ein Versagen über eine lange Zeit hinweg". Erst dadurch habe es zu dem schrecklichen Unglück kommen können, bei dem Tim K. 15 Menschen erschoss und sich danach selbst tötete.

Jörg K. hat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch von den Tötungsfantasien seines Sohnes gewusst, die dieser ein Jahr vor dem Amoklauf in einem Klinikum in Weinsberg bei Heilbronn geäußert hatte. Außerdem habe er seinen Sohn in den Schießsport eingeführt, indem er ihn mit zum Schützenverein nahm. Ob der damals 17-Jährige auch den Code für den Tresor kannte, in dem der Vater zahlreiche Waffen aufbewahrte, bleibt ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft legt dem angeklagten Vater auch zur Last, dass er keine Reue zeige, sondern versuche, "sich in ein anderes Licht zu stellen".

Am Vormittag waren nochmals Widersprüche im Zusammenhang mit den Angaben aus dem Klinikum erörtert worden, in das Tim K. geschickt wurde, eine Therapie dort aber verweigerte. Der Tübinger Kinder- und Jugendpsychiater Michael Günther hält es für ausgeschlossen, dass ein Amoklauf aufgrund der dort festgestellten Diagnose "soziale Phobie" absehbar war. Günther wies darauf hin, dass Tim K. eine "leichte, kombinierte Persönlichkeitsstörung" hatte, an der in Deutschland 50.000 bis 100.000 Personen dieses Alters litten

Berichte des Klinikums waren uneindeutig

Widersprüchlich bleiben die unterschiedlich dokumentierten Behandlungs- und Diagnoseergebnisse von Tim K. am Weinsberger Klinikum. Dort soll er beim ersten Termin im Mai 2008 von Tötungsfantasien gesprochen haben und von einem "Hass auf die ganze Welt". Einen Tag nach dem Amoklauf am 11. März 2009 schrieben sich zwei Ärzte, dass es bei Tim K. keine akute, aber eine latente Gefahr zur Gefährdung von anderen Menschen gegeben habe. Am 20. März 2009 wiederum ist im Abschlussbericht des Klinikums dokumentiert, dass bei dem Amokläufer weder eine akute noch eine latente Gefahr zur Fremdgefährdung vorgelegen habe.

Tims Vater Jörg K. wurde im Februar 2011 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und wegen fahrlässiger Tötung zu 21 Monaten auf Bewährung verurteilt. Seit dem 14. November muss er sich wegen eines Verfahrensfehlers im ersten Prozess zum zweiten Mal vor Gericht verantworten.

Der 17-jährige Tim K. hatte mit der Waffe und Munition seines Vaters am 11. März 2009 in seiner ehemaligen Schule in Winnenden bei Stuttgart neun Schülerinnen und Schüler sowie drei Lehrerinnen erschossen. Auf der Flucht tötete er drei weitere Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm.