Die Russen entdecken das Weihnachtsfest wieder

Foto: epd-bild/Wassili Djatschkow
Gemeinsam mit seiner Helferin, dem Schneefräulein, geht Väterchen Frost in Russland auf Hausbesuch.
Die Russen entdecken das Weihnachtsfest wieder
Väterchen Frost, der russische Weihnachtsmann, hat einen festen Wohnsitz - er residiert in einem Palast in Weliki Ustjug im äußersten Nordosten des europäischen Russland. Von dort macht er sich Jahr für Jahr auf, um die Kinder im Land zu beglücken.
07.01.2013
epd
Susanne Brammerloh

Er tut dies aber nicht an Heiligabend, sondern in der Silvesternacht. Denn unter den Kommunisten war das Weihnachtsfest verboten, die Sowjets machten stattdessen Silvester zum wichtigsten Familienfest und führten den Ersatzweihnachtsmann Väterchen Frost ein.

Mit dem Schneefräulein

In der guten Stube steht dann ein geschmückter Tannenbaum, unter dem die Geschenke lagern. Väterchen Frost kommt mit seiner Begleiterin Snegurotschka, dem Schneefräulein, zur Bescherung für die Kinder. Silvester ist ein Familienfest, zu dem man sich frühestens um 23 Uhr zu Tisch setzt. Um Mitternacht wird zum Klang der Kremlglocken aus dem Fernseher eine Flasche Sekt geleert - und dann nimmt die Feier erst so richtig Fahrt auf und zieht sich bis zum Morgen hin.

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Doch immer mehr Russen feiern auch das christliche Weihnachtsfest - 2011 sollen 2,1 Millionen Menschen die Gottesdienste besucht haben. Das orthodoxe Weihnachtsfest wird nicht im Dezember, sondern am 7. Januar begangen. Der Grund ist ein ganz einfacher: Die russisch-orthodoxe Kirche behielt auch nach der Kalenderreform im 16. Jahrhundert den "alten" julianischen Kalender bei, der hinter dem "neuen" gregorianischen um 13 Tage hinterherhinkt.

Darum begehen am 13. Januar die ganz Hartnäckigen auch noch das "alte neue Jahr". Dann hat Russland fast zwei Wochen Ferien hinter sich, denn seit 2004 ist die Zeit von Silvester bis nach Weihnachten arbeitsfrei - im Schnitt sind das zehn Tage.

Bis zur Oktoberrevolution von 1917 war in ganz Russland offiziell der julianische Kalender gültig. Die siegreichen Bolschewiki führten im Februar 1918 dann die gregorianische Zeitrechnung ein. Aber die russisch-orthodoxe Kirche weigerte sich, die Kalenderreform der gottlosen neuen Machthaber zu übernehmen - und tut es bis heute. Die Bolschewiki verboten derweil Weihnachten und alle anderen christlichen Feste. Weihnachtsmann und Weihnachtsbaum waren verpönt. Erst nach einer langen Pause, im Jahr 1935, konnten in Russland wieder Tannenbäume geschmückt werden - diesmal aber zu Silvester.

Die Rückkehr der Religion

Auf diese Weise gingen schließlich Bräuche wie der Weihnachtsmann und das Verteilen von Geschenken in einem Fest auf, das rein weltlich verstanden wurde - ganz im Sinne der kommunistischen Führung. Der religiöse Hintergrund verschwand fast völlig und kam erst mit der Perestroika seit Mitte der 1980er Jahre zurück.

Erst seit 1991 ist Weihnachten wieder offiziell Feiertag in Russland. Auch der 42-jährige Geschäftsmann Waleri Iljunin, der erst vor kurzem zum Glauben fand, geht an Weihnachten in die Kirche: "In den 90er Jahren gab es einen Boom", sagt er, "jetzt wächst die Zahl derjenigen, die sich der wahren Bedeutung von Weihnachten bewusstwerden."

Feuchtfröhlicher Feiermarathon

Für streng gläubige Christen ist der feuchtfröhliche Feiermarathon "zwischen den Jahren" eine schwere Prüfung, denn der Kanon der russisch-orthodoxen Kirche schreibt für die 40 Tage vor Christi Geburt eine Fastenzeit vor. Zwar ist diese nicht so streng wie vor Ostern, dem orthodoxen Hauptfest. Verboten sind aber Fleisch, Milchprodukte und Eier; Fisch darf nur an bestimmten Tagen gegessen werden. Alkohol-Abstinenz versteht sich von selbst. Das Fasten dauert vom 28. November bis zum Aufgang des ersten Sterns am 6. Januar.

Wie viele Menschen Weihnachten tatsächlich nach allen kirchlichen Regeln begehen, erfasst keine Statistik. Aber sicher ist, dass die Zahl der Kirchgänger von Jahr zu Jahr größer wird. Die zentralen Fernsehkanäle übertragen die Gottesdienste, in denen sich Mächtige wie Wladimir Putin und Dmitri Medwedew gern publikumswirksam zur Schau stellen.

Störende Doppelung

Die Fest-Doppelung empfinden viele Russen mittlerweile als störend: "Wenn ich entscheiden könnte, würde ich einen Einheitskalender einführen, ohne diese dummen 13 Tage Unterschied", sagt etwa die 50-jährige Susanna Grudinowa, die in Moskau in einer Konzertagentur tätig ist. Innerhalb der Kirchenführung aber wird der "alte Stil" nicht infrage gestellt.