Zentralrat der Juden beklagt Antisemitismus in Beschneidungsdebatte

Zentralrat der Juden beklagt Antisemitismus in Beschneidungsdebatte
Die Diskussion sei missbraucht worden, um in dieser Frage altbekannten Antisemitismus zu transportieren, sagte Graumann.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hat den Verlauf der Beschneidungsdebatte scharf kritisiert. "Viele haben die Diskussion missbraucht, um in dieser Frage altbekannten Antisemitismus zu transportieren", sagte Graumann der "Welt" (Freitagsausgabe). Wer ins Internet gehe, finde Tausende Beispiele dafür. "Und zwar keineswegs nur für versteckten, sondern auch für offenen Antisemitismus, in einer Brutalität und Hässlichkeit, die mich sehr schockiert haben."

"Schroffen Belehrungen, besessene Bevormundung"

Zudem sei auch in der "seriösen" Debatte einiges schiefgelaufen, sagte Graumann weiter: "Diese schroffen Belehrungen, diese besessene Bevormundung uns gegenüber, der Versuch gar, uns Juden als notorische Kinderquäler zu stigmatisieren - das alles hat uns sehr verletzt."

Zu dem Gesetz zur Neuregelung der Beschneidung sagte der Zentralratspräsident, dies sei ein Gesetz, "mit dem wir ganz gut leben können. Dabei müssen wir auch Kompromisse machen." Vor allem sei das politische Zeichen wichtig, "dass jüdisches und muslimisches Leben hierzulande willkommen ist".

Der Bundestag hatte das Gesetz am 12. Dezember mit großer Mehrheit beschlossen. Religiös motivierte Beschneidungen von Jungen sind demnach weiter von Geburt an erlaubt. Sie können auch von religiösen Beschneidern vorgenommen werden, wenn der Säugling nicht älter als ein halbes Jahr ist. Das Recht zur Beschneidung ist im elterlichen Sorgerecht verankert.

###mehr-artikel###

Graumann betonte, auch Religionsfreiheit habe ihre Grenzen. "Aber die Debatte hat doch auch gezeigt, dass in der Gesellschaft ein gewisser Mangel an Respekt vor Religion herrscht. Es gibt auch einen säkularen Fundamentalismus, der alles zu verurteilen versucht, was mit Glauben zu tun hat."

Der Zentralratschef stellt zudem fest, dass die Religiosität im Judentum abnimmt: "Wir haben in Deutschland immer mehr und schönere Synagogen, die leider aber oft immer leerer werden."  Gerade junge Leute kämen immer seltener. Zugleich betonte er, dass das Judentum zwar "in erster Linie eine Religion" sei, sich aber viele Juden, auch über Kultur, Ethik oder das Gefühl der Schicksalsgemeinschaft mit dem Jüdischsein identifizierten. Das Judentum müsse die Kraft aufbringen, die vielfältigen jüdischen Identitäten zu akzeptieren und anzuerkennen.