Weihnachten zu 51st: Familienfest der Superlative

Foto: epd-bild/Regina Schaar-Lehr
Weihnachten zu 51st: Familienfest der Superlative
Die Kroketten garen kiloweise, die Fleischportionen sind begrenzt. Von der Bremer Großfamilie Schaar-Lehr lässt sich lernen, wie Dutzende auf engstem Raum miteinander feiern können, ohne dass der eine dem anderen auf die Nerven geht. Entscheidend ist der Plan.
23.12.2012
epd
Dieter Sell

Was andere Menschen maximal stressen würde - bei Familie Schaar-Lehr in Bremen löst es Glücksgefühle aus: Auch in diesem Jahr wollen die meisten der 51 Familienmitglieder Weihnachten unter einem Dach feiern, im Reihenhaus der Großeltern. Akribische Planung und die Bereitschaft, das Fest nicht mit Erwartungen zu überfrachten, sind die Basis für das Familienfest der Superlative. Im Flur hängt bereits ein minutengenauer Fahrplan, damit jeder weiß, was er zu tun hat.

Viele von ihnen kommen nicht nur zum ersten Feiertag, sondern schon Heiligabend - nach dem Gottesdienst. Dann gibt es in der zehn Quadratmeter großen Essdiele Kartoffelsalat mit Würstchen. Später am Tannenbaum werden Lieder gesungen. Wenn mal ein schräger Ton dabei ist - macht nichts, sagt Regina Schaar-Lehr (51): "Das fällt in der Masse gar nicht auf". Alle Kinder, die noch nicht konfirmiert sind, tragen Gedichte vor. Großer Applaus ist ihnen sicher.

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Im Mittelpunkt der Feier steht Oma Margret. 1981 beschlossen ihre Kinder - Regina Schaar-Lehr mit sechs Schwestern und vier Brüdern - ihren Eltern das Festessen zum ersten Weihnachtstag zu schenken und selbst zuzubereiten. Opa Rudolf ist zwischenzeitlich gestorben, aber die 84-Jährige genießt die Einladung bis heute. "Mittlerweile sind Partner, Enkel und auch schon ein Urenkel dazu gekommen", zählt Regina Schaar-Lehr (51) zusammen.

"Die Paten schenken den Kindern etwas, die Kinder haben etwas für ihre Paten. Alles andere würde zu weit führen", sagt sie. Ist alles ausgepackt, verteilt sich die Familie. In einem Kinderzimmer ist eine Bastelstube eingerichtet, nebenan läuft die Spielkonsole. Unter dem Dach stehen Tischkicker, Holzeisenbahn und Duplo-Steine.

Doch die eigentliche Herausforderung ist der nächste Tag. "Alle elf Geschwister zahlen einen festen Betrag in die Weihnachtskasse", sagt Regina Schaar-Lehr. "Verheiratete geben 60 Euro, Ledige die Hälfte." Auch Nichten und Neffen beteiligen sich.

"Auf Nachzügler wird nicht gewartet"

Traditionell gibt es Kasseler, Roastbeef und Schweinelachs, dazu Kroketten, Rotkohl, Rosenkohl und eine Soße wahlweise mit und ohne Pilze, danach ein Spaghetti-Eis. Und zuvor natürlich Tee und Kaffee, der in der umfunktionierten Waschküche zubereitet wird. Familienmitglieder liefern bis 13.20 Uhr Kuchen und Torten, die dann bis 14 Uhr geschnitten auf den Tischen stehen. Dann geht die Kuchenschlacht los. "Auf Nachzügler wird nicht gewartet", droht der Plan.

"Alle helfen mit" lautet der Appell nach der Kaffeezeit, denn ab 14.45 steht gemeinsames Singen auf dem Programm. Bald darauf machen sich sechs Leute daran, Kroketten zu rollen, die dann in drei Friteusen garen. "Falls die Hauptsicherung durchhaut, kein Problem", beruhigt Reginas Ehemann Peter Lehr (50). "Die Familie ist reichlich mit Elektrikern gesegnet." Etwa zeitgleich wärmt ein gutes Dutzend Schüsseln im Einwecktopf vor, damit später die Beilagen nicht so schnell auskühlen. Wer nicht kocht oder aufdeckt, vertritt sich die Beine. Für die Kinder werden Bastelaktionen und Gesellschaftsspiele organisiert.

17.10 Uhr: Die Warmhalteplatten werden gestartet, bis 18.15 Uhr die Tische im Wohnzimmer gedeckt, noch vor 18.20 Uhr das Fleisch geschnitten. "Nicht so große Stücke", lautet die Anweisung. Weil mit den Jahren immer mehr Familienmitglieder am Essen teilnehmen, ist die Fleischmenge von 295 auf 250 Gramm pro Person reduziert worden. Mehr fasst der Backofen einfach nicht.

"Gegangen wird erst, wenn alles sauber ist"

Dann der Endspurt. Die "Schüsselkoordinatorin" organisiert den Transport des Menüs von der Küche an die Tische, zwei weitere Familienmitglieder achten darauf, dass die heiß begehrten Kroketten am Kindertisch ohne Zank und Streit auf die Teller kommen. 18.30 Uhr schließlich startet die Runde gemeinsam mit dem Weihnachtsessen - allesamt im Wohnzimmer, 45 Quadratmeter groß. "Da sind wir räumlich an der Grenze", räumt Regina Schaar-Lehr ein. "Vergangenes Jahr durften nicht alle gleichzeitig einatmen", schmunzelt ihr Mann Peter.

Eine Stunde später heißt es dann Klarschiff machen. "Gegangen wird erst, wenn alles sauber ist", bestimmt der Plan. Eigentlich habe sie damit gerechnet, dass die Zahl der Teilnehmer mit den Jahren zurückgehe, meint Regina Schaar-Lehr. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auch, wenn sich während der Feier niemand zurückziehen könne, der Geräuschpegel hoch sei und natürlich nicht immer alle gleicher Meinung seien: "Die Gemeinschaft wiegt alles auf."