Oma auf Zeit

Foto: plainpicture/Bildhuset/Jan Håkan Dahlström
Im Alter noch einmal eine längere Zeit ins Ausland - die Möglichkeit stößt auf reges Interesse.
Oma auf Zeit
Für die meisten 20- bis 30-Jährigen ist ein Auslandsaufenthalt heute völlig normal. Doch was ist mit Älteren, die das Abenteuer suchen und gerne eine Zeit lang fernab von Zuhause verbringen möchten? Eine Agentur bringt Gastfamilien und von Fernweh geplagte Damen zusammen.
03.09.2012
evangelisch.de

"Ich bin eine Reisetante“, sagt Dagmar Mäsing-Steiner. Ihr Bruder lebt auf den Philippinen, ein Sohn in Warschau, der andere in der Schweiz. Dagmar Mäsing-Steiner ist 68 Jahre alt, verwitwet und ist es gewöhnt viel unterwegs zu sein. Und jetzt hat sie wieder ihren Koffer gepackt, heute reist sie nach Brüssel. Diesmal allerdings zum Arbeiten: Sie soll auf den Siebenjährigen Nicolas aufpassen, ihn zur Schule bringen, mit ihm Hausaufgaben machen, seine alleinerziehende Mutter unterstützen – als Aupair-Oma.

Angebote wie Auslandssemester während des Studiums, ein sozialer Dienst im Ausland oder ein Aupair-Aufenthalt – Michaela Hansen fiel auf, das solche Angebote immer nur junge Menschen ansprechen. Sie zögerte nicht lange, gründete die Agentur "Granny Aupair“ und hat inzwischen rund 180 Damen vermittelt. Nach Kambodscha, Vietnam oder Japan, in die USA, nach Kanada und innerhalb Europas. Seit kurzem hat sie auch Damen aus dem Ausland in ihrer Kartei, die hier eine Gastfamilie suchen.

"Ich wollte noch einmal etwas völlig Neues machen!"

Dagmar Mäsing-Steiner geht heute nach Brüssel. Als Aupair. Foto: privat.

Eine neue Sprache wird Dagmar Mäsing-Steiner nicht lernen müssen, die Mutter von Nicolas ist Deutsche. Sie haben schon seit drei Monaten regen Kontakt: lange E-Mails und Fotos gehen hin und her. Was den Kontakt mit der Familie betrifft ist sie sich sicher: Es passt. "Ich wollte noch einmal etwas völlig Neues machen. Etwas, was ich noch nie in meinem Leben gemacht habe!“, erklärt Dagmar Mäsing-Steiner ihr Vorhaben. Dennoch, ein wenig zögerlich wirkt sie – sie hat sich nur für einen Monat beworben. "Bevor ich gleich ein halbes Jahr irgendwohin gehe, möchte ich erst überprüfen: Ist das überhaupt das Richtige für mich?“

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Inge Schneider hat solche Bedenken schon hinter sich. Die sechsfache Großmutter bekam 2011 noch einen Enkel dazu: Ein halbes Jahr lang passte sie im australischen Tasmanien auf den Zweijährigen Elliot auf. Auch sie war im Vorfeld nervös, bekam plötzlich Angst vor ihrer eigenen Courage. "Aber dann hat mich das Wissen beruhigt, dass ich jederzeit ins Flugzeug steigen und zurück fliegen kann.“ Soweit kam es glücklicherweise nie, unter dem Strich überwiegen die positiven Erinnerungen. Seit 16 Jahren lebt sie allein und in Tasmanien hat sie es vor allem genossen, wieder in ein Familienleben integriert zu sein: "Da wünschte mir plötzlich wieder jemand einen guten Morgen. Das war ein schönes Gefühl. Natürlich habe ich meine Kinder und Enkel in Deutschland. Sie sind immer für mich da, aber trotzdem leben sie ja ihr eigenes Leben.“

Michaela Hansen gründete "Granny Aupair". Foto: privat.

Wer sich für einen Aupair-Aufenthalt entscheidet, muss sich anpassen können, betont Michaela Hansen. An eine Haushaltsführung, die vielleicht nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Oder daran, plötzlich nur ein Zimmer statt eine ganze Wohnung für sich zu haben. "Doch die Gastfamilien wissen die Lebenserfahrung der Damen zu schätzen. Sie haben häufig ein besseres Gefühl, wenn eine ältere Frau auf ihr Kind aufpasst, als eine 18-Jährige“, so Hansen. Und Männer? "Nein“, sagt sie, "für Männer haben wir keine Angebote. Bisher hat auch noch niemand nach Aupair-Opas gefragt.“

Aupair-Aufenthalt statt teure Reisen

Inge Schneider verbrachte sechs Monate in Tasmanien. Foto: privat.

Inge Schneider hat in ihre Zeit als Aupair auch die Möglichkeit gesehen, günstig zu reisen. Schließlich musste sie nur den Flug und das Visum zahlen. "Alles wird teurer, aber die Renten werden nicht erhöht. Wie soll man denn so eine Reise nach Australien finanzieren?“ Also nutzte sie ihre freie Zeit für viele Ausflüge. Nach Queensland oder in die tasmanische Hauptstadt Hobart, sie hat Pinguine, Albatrosse und Seehunde beobachten können.

Fernweh, Langeweile im Rentnerdasein, ein wenig Einsamkeit oder der Wunsch, sich im Alter noch einmal vor eine neue Herausforderung zu stellen – die Motive der Frauen, die sich bei Granny Aupair anmelden, sind vielfältig. "Rentner sind heute oftmals noch total fit, aber auf Seniorenmessen geht es meistens um Rollatoren, Alzheimerberatung oder Sterbeversicherung!“ regt sich Michaela Hansen auf. Mit ihrer Idee stößt sie daher auf sie auf reges Interesse. "Jedes Mal, wenn eine Dame loszieht, geht auch ein Stückchen von mir mit“, sagt Michaela Hansen, 51 Jahre alt. Doch irgendwann, wenn die Zeit es zu lässt, möchte sie auch als Granny Aupair in einem fremden Land arbeiten. Das hat sie fest vor.