Basiswissen Bibel: "Hammerfragen" im Hörsaal

Foto: Cristian Baitg/iStockphoto
Basiswissen Bibel: "Hammerfragen" im Hörsaal
evangelisch.de-Redakteurin Juliane Ziegler geht wieder in die Uni. Im Wintersemester beschäftigt sie sich im Seminar „Basiswissen Bibel für Nicht-Theologen" mit dem Buch der Bücher und berichtet aus dem Hörsaal. Heute: Von "Hammerfragen" und einer vierzig Jahre dauernden Flucht
29.11.2012
evangelisch.de

Mit schnellen Kreidestrichen hat Christian Stein die groben Umrisse an die Tafel gezeichnet: das Mittelmeer, Israel, Ägypten. "Hier müsste Mose die Israeliten auf ihrer Flucht entlang geführt haben“, erklärt er. Vierzig Jahre seien sie unterwegs gewesen, ist in der Bibel zu lesen.

Montagnachmittag, Universität Frankfurt. Die Neonröhren an der Decke leuchten grell, die Tische im Seminarraum sind in Hufeisenform angeordnet. Inzwischen ist die Hälfte des Semesters vorbei, die Teilnehmerzahl hat sich von ursprünglich fünfzig Studenten auf etwa dreißig reduziert. Im Seminar "Basiswissen Bibel für Nicht-Theologen“ geht es heute um Mose, die Plagen und die zehn Gebote.

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Dozent Christian Stein deutet auf die Kreidestriche: "Forscher haben ausgerechnet: Wenn Mose und die Israeliten tatsächlich in diesem Umkreis vierzig Jahre lang unterwegs waren, dann können sie pro Tag nicht mehr als zehn Zentimeter gelaufen sein!“ Gelächter auf Seiten der Studenten. Mit diesem Beispiel geht Christian Stein auf die im Seminar immer wieder kehrende Frage ein: "War tatsächlich alles so, wie es in der Bibel beschrieben ist? Beruhen die Angaben auf Tatsachen?“

"Wer, wie, was ist Gott?"

Die Information, ob Mose mit den Israeliten wirklich vierzig Jahre unterwegs gewesen ist, scheint also eher Nebensache zu sein. Wo verläuft denn dann die Grenze zwischen einem erzählenden Bericht und einem Text, der eine Botschaft transportieren soll? Die Antwort darauf liege wohl auf der Seite des Lesers, meint Christian Stein.

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Jede Woche startet er die Veranstaltung mit Fragen, die die Studenten in einem eigenen, uni-internen Online-Blog zu dem behandelten Thema stellen können. Da kam zum Beispiel nach der Sitzung über die Schöpfungsberichte die Fragen auf: "Wer, wie, was ist Gott?“ Eine umfassende Definition könne er nicht geben, erklärt Christian Stein. Ausgehend von den Texten der Genisis ist Gott der Schöpfer und Bewahrer der Welt und der Menschen.

Ein Dornbusch, der in Flammen steht, aber nicht verbrennt?

Weiter geht es: "Warum hat Gott in dem zweiten Schöpfungsbericht ein Interesse daran, den Menschen den Baum der Erkenntnis zu verwehren?“ Eine "Hammerfrage“, meint Christian Stein, denn daran hätten sich schon Generationen gestoßen. "Was man zumindest sagen kann: Der Text versucht unter anderem die Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf deutlich zu machen.“ Dass die Studierende diese Blog-Funktion so rege nutzen, liege auch daran, so Christian Stein, dass viele tatsächlich aus Interesse an diesem Seminar teilnehmen - und nicht, weil es die Prüfungsordnung verlangt.

Christian Stein unterrichtet "Basiswissen Bibel". Foto: privat

So auch Alex Goschin: Er studiert im neunten Semester Philosophie und Soziologie. "Natürlich sind mir viele Geschichten bereits ein Begriff, die kennt man eben. Aber ich würde mich nicht als bibelfest bezeichnen, und in diesem Seminar bekomme ich einen neuen Anstoß, mich mit der Bibel aus wissenschaftlicher Sicht zu beschäftigen.“ An diesem Nachmittag sitzt er neben mir, und gemeinsam mit vier anderen Studenten sollen wir den Text über den brennenden Dornbusch und Moses Berufung lesen sowie offene Fragen diskutieren: Wovor hat Mose Angst, und warum stellt er nichts in Frage? Weshalb erscheint Gott ausgerechnet in Form eines brennenden Busches - ein Dornbusch, der zwar in Flammen steht, aber nicht verbrennt? Logisch erscheint das nicht. "Naja, das ist eben die Bibel“, sagt Alex Goschin und zuckt mit den Schultern. "Die Bibel ist nun mal kein analytischer, wissenschaftlicher Text – sondern eine Weltanschauung.“

Christian Stein bemüht sich, auf alle Fragen einzugehen. Doch manches kann er nur anreißen, zu weit führen die Antworten weg von dem, um das es hier geht: um Basiswissen. "Wenn die Studierenden am Ende des Semesters ein Gefühl dafür bekommen haben, wie diese Texte funktionieren, und wie sie sich in der Bibel zurecht finden, wenn sie etwas Konkretes suchen, dann ist viel gewonnen.“