Äbtissinnen im Sommerkleid

Foto: epd-bild / Philipp Schulze
Kristin Püttmann (l.) und Monika von Kleist vor dem evangelischen Frauenkloster Medingen bei Uelzen.
Äbtissinnen im Sommerkleid
Im niedersächsischen Medingen können Frauen aus vier Generationen von einem Amt mit Tradition erzählen, das in der evangelischen Kirche selten ist. Kristin Püttmann wird demnächst Äbtissin des Klosters, in dessen Nähe drei ihrer Vorgängerinnen leben.
07.09.2012
epd
Karen Miether

Im Sommerkleid und geblümter Bluse kommen Monika von Kleist und Kristin Püttmann in den Kapitelsaal des Klosters Medingen bei Uelzen. Touristen besichtigen dort die Ölgemälde aus mehr als fünf Jahrhunderten von Äbtissinnen in schwarzer Klostertracht. Dass die beiden Frauen in diese Reihe gehören, überrascht einige. "Ich bin hier schon in Gartenkleidung erwischt worden", kommentiert Monika von Kleist die Verwunderung lächelnd. Die 71-Jährige leitet das evangelische Frauenkloster seit 14 Jahren. Die Kunsthistorikerin Kristin Püttman (56) tritt demnächst ihre Nachfolge an.

Äbtissin Monika von Kleist  im Kapitelsaal des evangelischen Frauenklosters Medingen Foto: epd-bild/Jens Schulze

"Mich reizt diese Form von Frauenleben in besonderer Umgebung", sagt die angehende 29. Äbtissin. Medingen zählt zu den 15 Klöstern und Stiften in Niedersachsen, in denen bis heute Gemeinschaften evangelischer Frauen wohnen. Und eines hebt den Ort am Rand der Kurstadt Bad Bevensen hervor. Im Kloster und einem benachbarten Pflegeheim leben mit Monika von Kleist, Gisela Rothbarth (88) und Helge von Bülow (101) demnächst drei Altäbtissinnen. Sie können von einem Amt erzählen, das in der evangelischen Kirche selten, voller Traditionen und dennoch stets im Wandel ist.

Die Geschichte des früheren Zisterzienserinnen-Klosters geht bis in das Jahr 1241 zurück und wurde immer wieder von starken Frauen geprägt. 30 Jahre lang widersetzten sich die Klosterdamen der Anordnung des Landesherren zum lutherischen Glauben zu wechseln. 1524 verbrannte Medingens Äbtissin eigenhändig eine Lutherbibel, die der Herzog ihr geschickt hatte.

Von der Chefsekretärin einer deutschen Bank in Sao Paulo zur Äbtissin in Medingen

Helge von Bülow gehört noch zu den Töchtern aus adeligem Haus, die schon bei ihrer Geburt in ein Kloster eingekauft wurden. "In Mecklenburg war das damals Tradition", erzählt die 101-Jährige mit noch immer hellwachem Geist. In evangelischer Zeit boten die Klöster zunächst unverheirateten adligen Töchtern die Möglichkeit auf ein eigenständiges Leben und eine Versorgung.

Helge von Bülows Lebensweg nahm in den Wirren zweier Weltkriege jedoch eine ganz andere Richtung. Sie ging nach Brasilien, arbeitete als Chefsekretärin einer deutschen Bank in Sao Paulo. Erst im Ruhestand kam sie aus der Millionenmetropole in das beschauliche niedersächsische Medingen, wo sie 1972 Äbtissin wurde. "Das war ein ganz anderes Leben", erinnert sie sich. Viele Bau- und Restaurierungsarbeiten fielen in ihre Zeit, denn noch waren dem Kloster Folgen von Einquartierungen nach dem Krieg anzusehen.

"Ich war die erste Äbtissin, die verwitwet war"

"Ich war die erste Äbtissin, die verwitwet war", sagt die 88-jährige Gisela Rothbarth. Sie kam geprägt vom christlichen Glauben und vielen sozialen Ehrenämtern 1989 aus Celle in das Kloster, das sich zunehmend nach außen öffnete. Bis heute ziehen Führungen und Konzerte immer mehr Besucher in die historischen Mauern. Auch die noch amtierende Äbtissin Monika von Kleist kannte und liebte das Haus, bevor sie dort einzog.

Die geschiedene Mitarbeiterin einer Volkshochschule wollte ursprünglich nur dem Konvent beitreten und nicht dessen Leitung übernehmen. In Medingen leben zehn Klosterdamen, die eigene Wohnungen haben, aber dennoch Gemeinschaft pflegen. "Die Äbtissin ist heute auch so etwas wie eine selbstständige Unternehmerin, denn das Kloster ist zum Beispiel mit seinen Erbaugrundstücken ein Wirtschaftsbetrieb", unterstreicht die 71-Jährige, mit der die EDV Einzug gehalten hat.

"Das Klosterleben ist zeitgemäß in einer Gesellschaft mit zunehmender Vereinzelung"

Kristin Püttmann bewarb sich auf eine Stellenanzeige in der Wochenzeitung "Die Zeit". Dann aber wurde sie von den Klosterdamen in geheimer Wahl gewählt. Die Wahlzettel wurden nach historischem Brauch anschließend verbrannt. "Diese Mischung ist doch äußerst spannend", sagt die promovierte Wissenschaftlerin mit Lehrauftrag an der Universität Lüneburg. Am 12. Oktober wird sie in ihr Amt eingeführt. Dann trägt auch sie Orden und Tracht, wie stets bei feierlichen Anlässen. Und sie übernimmt den mächtigen silbernen Krummstab, der 1496 noch zu katholischer Zeit im Auftrag von Medingens erster Äbtissin gefertigt wurde.

Wie ihre Vorgängerinnen hält auch die geschiedene Mutter eines erwachsenen Sohnes das Klosterleben für zeitgemäß in einer Gesellschaft mit zunehmender Vereinzelung. Und wie drei charakterstarke Frauen vor ihr wird wohl auch sie Akzente setzen. "Erst will ich aber sehen und hören und alles ein Jahr begleiten, wie ein guter Gärtner es macht."