Diskussion um Gesetzesinitiative zur Beschneidung geht weiter

Diskussion um Gesetzesinitiative zur Beschneidung geht weiter
Die Auseinandersetzung über ein geplantes Gesetz zur Legalisierung der religiös begründeten Beschneidung bei Juden und Muslimen ging am Wochenende weiter. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hält die Debatte über die rituelle Beschneidung von Jungen nicht für antisemitisch motiviert.

Er wolle die schrillen Töne dabei "überhaupt nicht auf das Thema Antisemitismus schieben - das hat damit nichts zu tun", sagte Graumann dem Nachrichtenmagazin "Focus" (München). Graumann lobte die Initiative von Union, FDP und SPD, die rituelle Beschneidung von Jungen per Gesetz zu legalisieren - auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung die Frage anders sehe. Demoskopie sei eine Sache, Verantwortungsbewusstsein etwas anderes, sagte Graumann. Nach einer repräsentativem Emnid-Umfrage für das Magazin halten lediglich 40 Prozent der Deutschen eine gesetzliche Beschneidungs-Erlaubnis für richtig, 48 Prozent sprechen sich dagegen aus.

Es habe ihn erstaunt, dass viele, auch gebildete Menschen überhaupt nicht wussten, "dass es bei uns rituelle Beschneidung gibt", sagte Graumann weiter. "Ich verstehe, dass jemand erst einmal zurückzuckt, wenn er im Status der Unwissenheit damit konfrontiert wird."

Beschneidung als "essenzieller Glaubensinhalt"

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, plädierte für ein Gesetz zur Beschneidungslegalisierung. Er halte das Urteil des Kölner Landgerichts zum Beschneidungsverbot für "verfehlt", sagte Papier dem "Focus". Das Gericht habe sehr verkürzt argumentiert und nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich bei der Beschneidung für Juden und Muslime nicht nur um eine Tradition handele, sondern um "einen essenziellen Glaubensinhalt". Eine Legalisierung hält Papier für notwendig, um Rechtssicherheit zu schaffen. Ein solches Gesetz sei allerdings nicht auf die Schnelle zu machen.

Nach Auffassung des Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Raju Sharma, wird das Gesetz angesichts der Schwierigkeiten, einen verfassungskonformen Text zu formulieren, vor der Wahl 2013 gar nicht zustande kommen.

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, kritisierte die Entschließung des Bundestages zur rituellen Beschneidung. "Das ging mir viel zu schnell. Hier wäre ein Moratorium angebracht gewesen", sagte Hilgers dem Bielefelder "Westfalen-Blatt". Es habe keinen Grund gegeben, sich bei einem Thema, über das vor vier Wochen noch niemand gesprochen habe, so übereilt festzulegen. Die Aufregung auf beiden Seiten sei völlig unangemessen. Der Bundestag hatte am Donnerstag eine Resolution mit dem Ziel verabschiedet, die rituelle Beschneidung von Jungen möglichst schnell per Gesetz zu erlauben.

Diskussion noch lange nicht abschlossen

"Wir sind weit davon entfernt, alle Argumente für und gegen ein Beschneidungsverbot ausgetauscht zu haben", sagte der Präsident. Die vielen offenen Fragen seien auch der Grund, warum sich der Kinderschutzbund noch keine Meinung gebildet habe. Es gebe in seinem Verband Verfechter beider Lager.

Auch könne er derzeit den Forschungsstand zu dem Thema nicht überblicken, so Hilgers. Bei der Meinungsbildung seien auch die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu berücksichtigen, die sich besonders in Entwicklungsländern für eine Beschneidung von Jungen ausspreche. Nach Angaben der WHO sinke das Aids-Risiko danach auf ein Sechstel.