Roboter Nao spielt mit kranken Kindern

Im Mailänder San-Raffaele-Krankenhaus spielen Kinder mit dem kleinen Robober Nao.
Foto: epd-bild/Scott Ramsey/Aliz-e_Projekt
Roboter Nao spielt mit kranken Kindern
Nach der Vorstellung europäischer Wissenschaftler könnten Kinder im Krankenhaus bald auch Roboter zu ihren Spielkameraden zählen. Eine Mailänder Klinik testet die Geräte für die Betreuung junger Patienten.
04.07.2012
epd
Bettina Gabbe

Nao ist mit seinen 60 Zentimetern wesentlich kleiner als die Kinder, mit denen er im Mailänder Krankenhaus San Raffaele spielt. Aber die Forscher des europaweiten ALIZ-E-Projekts haben Großes mit ihm vor: Wenn er voll ausgereift ist, könnte der Roboter eines Tages zum Personal von Kinderkliniken gehören. Er soll kleinen Patienten dann etwa die Angst vor Ärzten und Apparaten nehmen.

Das Projekt ist über Forschungsinstitute in ganz Europa verteilt und wird von der Europäischen Union zwischen 2010 und 2014 mit 8,2 Millionen Euro gefördert. "Experimente haben gezeigt, dass Kinder eine sehr starke Zuneigung zu Roboter-Freunden entwickeln können", urteilt die EU-Kommission. ALIZ-E beschäftigt sich vor allem mit Gedächtnis-Systemen für Roboter, damit diese die Interaktion mit dem Kind speichern und ihr Verhalten entsprechend anpassen können.

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Während Nao in der Mailänder Klinik mit Kindern spielt, übt er mit ihnen das richtige Verhalten bei Diabetes ein. Bei Fragespielen geht es deshalb sowohl um den Mailänder Stadtheiligen Ambrosius als auch um Blutzucker. Die Fragen stellen abwechselnd der Roboter und die Kinder.  Nao ist darauf programmiert, Informationen aus vorangegangenen Treffen zu verwenden, um individuell auf die Kinder zu reagieren. So begrüßt er einen Jungen beim zweiten Mal mit "schön, dich wiederzusehen" und winkt ihm fröhlich zu. Wenn er die Antwort auf eine Frage nicht weiß, gibt er sich zerknirscht. Dabei schüttelt er mit einem sirrenden Geräusch den Kopf.

Ultraschallsensoren in der Hüfte des Roboters messen die Distanz zu den nächstgelegenen Objekten. Durch zwei Kameras am Kopf sieht Nao nach vorn und nach unten. Mit vier Mikrofonen lauscht er in alle Himmelsrichtungen. In den beiden Knopfaugen befinden sich LED-Leuchten. Die Stelle des Mundes nimmt ein kleines Loch im Gesicht ein.

Zum Wohlergehen beitragen

"Es geht uns nicht darum, Menschen bei der Betreuung zu ersetzen, sondern ein zusätzliches Angebot zu entwickeln", wiegelt der Leiter der Forschungsabteilung des Krankenhauses, Alberto Sanna, ethische Bedenken ab. "Man muss sich nur vorstellen, wie es wäre, wenn Kinder von ihren Mitschülern nicht mehr wegen ihrer Krankenhaus-Erfahrungen bemitleidet, sondern um sie beneidet würden!". Begeistert beschreibt der Ingenieur, wie die kleinen Roboter in Zukunft als freundliche Begleiter auf den einzelnen Krankenhausstationen zum Wohlergehen der Patienten beitragen könnten.

Der Kinderpsychologe Vincenzo Guidetti hält das Forschungsprojekt grundsätzlich für positiv, warnt jedoch zugleich vor möglichen Risiken: "Bei Kindern, die dazu tendieren, reale Beziehungen mit virtuellen Kontakten zu ersetzen, könnte der Einsatz von Robotern gefährlich sein", sagt der Professor der römischen Universität La Sapienza. Minderjährige, die ganze Tage vor dem Bildschirm verbringen, könnten ihre Isolation durch den Kontakt mit Nao überwinden. Je nach Persönlichkeitsstruktur könnte diese Störung im Umgang mit dem Roboter jedoch auch verstärkt werden.

Im Testraum des San-Raffaele-Krankenhauses lachen junge Mädchen staunend, als Nao ihnen seine Tanzkunststücke vorführt und sich dabei auf einem Bein gefährlich weit nach vorn lehnt. Einem anderen Probanden bringt er Tanzschritte bei, indem er Musik abspielt und die Bewegungen vorführt, die der Junge zögerlich nachmacht. Für das Mailänder Forschungsprojekt kommt jedes Kind drei Mal ins Krankenhaus, um zu spielen. "Eines Tages könnte der Roboter dadurch auch Übergewichtige zu sportlichen Aktivitäten anregen", sagt Projektleiter Marco Nalin.

Krankenhaus als freundlicher Ort

Der Ingenieur gehört zu einer interdisziplinären Forschungsgruppe, in der auch Ärzte, Pflegepersonal, Psychologen und Soziologen mitarbeiten. Die 2010 gestartete vierjährige Testreihe soll zeigen, ob der Roboter durch individuelle Reaktionen auf die einzelnen Kinder eine vertraute Beziehung zu Patienten entwickeln kann. Nao könne das Krankenhaus so zu einem freundlicheren Ort machen, findet Nalin.

Schon jetzt allerdings wird in italienischen Krankenhäuser Traurigkeit und Angst vertrieben - von freundlichen Ärzten und Pflegern und von Clowns mit bunten Luftballons. Einige der Patienten gaben beim Forschungsprojekt übrigens an, sie hätten nicht zum ersten Mal mit einem Roboter gesprochen: Nao erinnerte sie an die Automatenstimme an der Mautstelle der Autobahn.