Kritik an schwarz-gelber Pflegereform

Kritik an schwarz-gelber Pflegereform
Sie gehe die wahren Probleme einer alternden Gesellschaft nicht an, kritisiert die Opposition. Gesundheitsminister Bahr verteidigt die Verbesserungen.

Im kommenden Jahr steigen die Beiträge zur Pflegeversicherung, damit demenzkranke Menschen besser versorgt werden können. Der Bundestag verabschiedete am Freitag in Berlin die Pflegereform der Regierungskoalition. Sie beinhaltet auch die staatliche Förderung privater Pflegevorsorge. Die Opposition stimmte gegen das Gesetz. SPD, Grüne und Linksfraktion warfen Union und FDP vor, die großen Herausforderungen der Pflege nicht angepackt zu haben und das Pflegerisiko zu privatisieren. Sozialverbände und Patientenschützer zeigten sich enttäuscht.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verteidigte die Pflegereform. Es sei ein gutes Gesetz, sagte er. In vielen europäischen Ländern müssten Sozialleistungen gekürzt werden: "Wir weiten sie aus", sagte Bahr. 500.000 demenzkranke Menschen erhielten bessere Leistungen. Zahlreiche weitere Änderungen führten zu mehr Wahlmöglichkeiten für die Pflegebedürftigen bei Betreuungs- und Wohnformen, Unterstützung für die Angehörigen und weniger Bürokratie. Die Förderung der privaten Pflegevorsorge verglich Bahr mit der Riester-Rente. Was bei der Rente notwendig gewesen sei, sei auch bei der Pflege richtig, sagte er.

"Geschenk an Versicherungswirtschaft"

Oppositionspolitiker übten hingegen scharfe Kritik an der privaten Zusatzversicherung. Sie löse keines der Finanzprobleme in der Pflege, führe aber zu mehr Ungerechtigkeit. Sie sei "unsozial und überflüssig", bilanzierte die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenstein. Geringverdiener könnten sich die Versicherung trotz des jährlichen Zuschusses von 60 Euro nicht leisten. Der Pflege-Bahr sei ein Geschenk an die Versicherungswirtschaft, kritisierte die Gesundheits-Expertin der Linksfraktion, Martina Bunge. Vielen Bürgern sei gar nicht klar, dass hier ein Systembruch in der Pflegversicherung eingeleitet worden sei.

Der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), hielt den Kritikern entgegen, schon heute trügen die Menschen den Großteil des Pflegerisikos selbst. Die Pflegeversicherung zahle im Höchstfall 1.800 Euro für einen Heimplatz, der bis zu 3.500 Euro kosten könne. Die Differenz müssten sie selbst tragen. Durch eine private Zusatzversicherung verringere sich die Last künftig.

Schwarz-gelb ist "Verlorene Jahre für die Pflege"

Mit der Pflegereform werden im kommenden Jahr die Beiträge um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05 Prozent des Bruttoeinkommens erhöht. Das erhöht die Einnahmen der Pflegekassen um 1,1 Milliarden Euro. Von dem Geld sollen bessere Leistungen für Demenzkranke bezahlt werden, die zu Hause gepflegt werden. Derzeit beziehen 2,4 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung, zwei Drittel von ihnen werden zu Hause versorgt.

SPD, Grüne und die Linksfraktion räumten ein, dass es punktuelle Verbesserungen gebe. Schwerer wiege aber, dass die langfristige Finanzierung der Pflege nicht angepackt und eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung erneut verschoben worden sei.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, nannte die Reform "enttäuschend und völlig unzureichend". Die Pflege brauche mehr Geld. Angehörige von Demenzkranken erhielten lediglich 4 bis 7,50 Euro mehr pro Tag. Das Diakonische Werk und die Arbeiterwohlfahrt kritisierten, die Koalition beschränke sich auf kurzfristige Verbesserungen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nannte die Regierungszeit von Union und FDP "verlorene Jahre für die Pflege". Bahr gehe den Herausforderungen weiter aus dem Weg, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.