Urteil: Zweiminütiges Glockenläuten verletzt nicht Religionsfreiheit

Urteil: Zweiminütiges Glockenläuten verletzt nicht Religionsfreiheit
Anwohner von Kirchen müssen ein zweiminütiges Glockenläuten am Morgen hinnehmen. Auch um 6 Uhr morgens ist das für Anwohner annehmbar, urteilte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.

Das liturgische Glockengeläut der Konradskirche im württembergischen Remshalden-Geradstetten (Rems-Murr-Kreis) werktags um 6 Uhr sei nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zumutbar, und zwar auch unter Berücksichtigung der Grundrechte, vor allem der Religionsfreiheit, teilte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am Dienstag in Mannheim mit. Die Entscheidung fällte der 1. Senat bereits am 3. April 2012, das Urteil wurde nun den Beteiligten zugestellt (AZ: 1 S 241/11).

Damit blieb die Klage eines Mannes, den das Geläut der knapp 100 Meter entfernten evangelischen Kirche stört, auch in der Berufungsinstanz erfolglos. Der Kläger, der selbst Mitglied der evangelischen Landeskirche ist, sah sich durch das Glockengeläut in seinen Grundrechten verletzt, insbesondere in seiner Religionsfreiheit. Er werde gezwungen, ein akustisches religiöses Zeichen zu hören. Verfrühtes Glockengeläut störe ihn auch beim Lesen der Bibel oder der Meditation.

Glockenläuten eine "heidnische Tradition"

Er argumentierte: Das Läuten vor Sonnenaufgang habe eine heidnische Tradition und sollte ursprünglich böse Geister abwehren. Die Kirchengemeinde Geradstetten berief sich auf ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht und ihre Religionsfreiheit. Das morgendliche Geläut sei Zeichen für den Tagesbeginn mit Gott. Dieser Brauch werde seit langem gepflegt und sei sozial angemessen.

Bereits das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte die Klage abgewiesen. Zur Begründung hieß es damals, zum Grundrecht der ungestörten Religionsausübung in Deutschland gehöre auch das Glockengeläut. In einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gebe, habe der Einzelne kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben.