Wie die Opposition die Bundestags-Debatte zum Betreuungsgeld verhinderte

Wie die Opposition die Bundestags-Debatte zum Betreuungsgeld verhinderte
Weil die Opposition das Betreuungsgeld strikt ablehnt, verhinderte sie mit einem parlamentarischen Trick die erste Debatte darüber im Bundestag. Die umstrittene Prämie kommt damit vermutlich nicht mehr vor der Sommerpause durchs Parlament.

Die Opposition hat mit einem Boykott die erste Beratung über das Betreuungsgeld im Bundestag verhindert. Die Sitzung des Parlaments wurde am Freitag aufgehoben. Bei einer Abstimmung im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht nahmen nicht genügend Abgeordnete teil, so dass der Bundestag nicht beschlussfähig war. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) beendete daraufhin die Sitzung. Wie aus Oppositionskreisen verlautete, sollte damit die Debatte über das Betreuungsgeld verhindert werden. Die Union geht inzwischen davon aus, dass über die Prämie erst nach der Sommerpause entschieden wird.

Nach dem Hammelsprung kam nur die Koalition zurück

Nach einer Abstimmung per Hammelsprung - dabei verlassen die Abgeordneten den Plenarsaal und betreten ihn zur Abstimmung wieder durch verschiedene Türen - kehrten nur 211 Abgeordnete von Union und FDP in den Plenarsaal zurück. Der Bundestag ist aber nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder - also 311 - abstimmen. Aus der Opposition verlautete, die Aktion sei im Hinblick auf das Betreuungsgeld abgesprochen gewesen. Nun sei es höchst unwahrscheinlich, dass die Prämie noch vor der Sommerpause beschlossen werde.

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Vertreter der Koalitionsfraktionen reagierten empört. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nannte das Verhalten der Opposition ein "dreckiges Foulspiel". "Das Verhalten der Opposition ist ein schwerer Missbrauch der Parlamentsrechte und schädigt das Ansehen des Bundestages", erklärten Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer und CSU-Landesgruppengeschäftsführer Stefan Müller. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen sprach von einem "Anschlag auf den Parlamentarismus".

Das Betreuungsgeld sollte am Freitag erstmals im Parlament beraten werden. Laut Gesetzentwurf sollen Eltern das Betreuungsgeld erhalten, die ihr Kind selbst betreuen oder privat betreuen lassen. Sie sollen ab Beginn des kommenden Jahres 100 Euro für einjährige Kinder und ab 2014 monatlich 150 Euro für ein- und zweijährige Kinder erhalten. SPD, Grüne und Linke lehnen das Betreuungsgeld strikt ab.

Das Betreuungsgeld ist auch in der Koalition umstritten

Eine Sprecherin der SPD-Fraktion sagte dem epd, das Parlament sei auch deshalb nicht beschlussfähig gewesen, weil 126 Parlamentarier der Regierungskoalition nicht an der Bundestagssitzung teilgenommen hätten. Der Tageszeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe) zufolge fehlte auch die zuständige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU).

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Die Beschlussunfähigkeit habe die Koalition sich ganz und gar alleine zuzuschreiben, sagte der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. "Das war ein stummer Protest von 126 Abgeordneten gegen das Betreuungsgeld", ergänzte er.

Die Unionsfraktion argumentiert hingegen, dass für die Beschlussfähigkeit alle Fraktionen des Parlaments verantwortlich seien. "Mehrheitsfähig waren wir", sagte eine Fraktionssprecherin. Das Betreuungsgeld ist auch bei Teilen von Union und FDP umstritten. Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen FDP, Christian Lindner, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Die CSU zwingt die Koalition dazu, mit Geld, das wir nicht haben, eine Sozialleistung einzuführen, die niemand will."

Die Bundesregierung wollte das Gesetz noch vor der Sommerpause durchs Parlament bringen. Das Tempo verärgerte nicht nur die Opposition, sondern selbst einige Vertreter der Koalitionsfraktionen. Jetzt kann der Zeitplan nicht mehr eingehalten werden: Es ist nur noch eine Sitzungswoche Ende Juni angesetzt. Die Union rechnet auch nicht mit Sondersitzungen für das Betreuungsgeld. Die Fraktionssprecherin sagte, dass zwar vor der Sommerpause noch die erste Lesung stattfinden soll. Die zweite und dritte Beratung würden aber auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben.