Syrien droht ein offener Bürgerkrieg

Syrien droht ein offener Bürgerkrieg
Bestürzt reagiert die Welt auf Berichte über ein neues Massaker in Syrien. Außenminister Westerwelle warnt vor einem Flächenbrand. Er kann sich eine Friedenslösung mit Präsident Assad nicht mehr vorstellen.

Nach dem neuen Massaker in Syrien fordert die Bundesregierung Präsident Baschar al-Assad zum Rücktritt auf. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag in Berlin, die Bundesregierung sei entsetzt über die Gewalt in Al-Kubair. Menschen, darunter Frauen und Kinder, seien bestialisch ermordet worden. "Eine Führung, die solche Taten in ihrem Land zulässt, hat jegliche Legitimität verspielt", sagte Seibert. Der Syrien-Sondervermittler der Vereinten Nationen, Kofi Annan, warnte vor einem offenen Bürgerkrieg in dem Land.

In dem Dorf Al-Kubair nahe der Stadt Hama wurden am Mittwoch nach Angaben der Opposition mindestens 78 Menschen ermordet. Regimegegner machen die Führung in Damaskus für das Blutbad verantwortlich. Die Regierung wies die Vorwürfe zurück. Eine politische Lösung mit Assad an der Spitze Syriens sei "eigentlich undenkbar", sagte Seibert.

Ermittlungen gegen Assad gefordert

Der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose forderte die Bundesregierung auf, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einzuschalten. "Chefankläger Luis Moreno Ocampo sollte unverzüglich mit Ermittlungen gegen Baschar al-Assad beginnen." Sollten die die Vorwürfe zutreffen, müsse Anklage erhoben werden, sagte Klose der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe). Der Friedensplan des früheren UN-Generalsekretärs Annan sei vermutlich gescheitert.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte nach Angaben seines Sprechers, der Syrien-Konflikt könnte sich zu einem Flächenbrand ausweiten. Er sprach sich für Sanktionen gegen das Assad-Regime aus. Sie scheitern bisher an den Veto-Mächten China und Russland im Weltsicherheitsrat.

Nach Darstellung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sind mittlerweile mehr als 1,5 Millionen Syrer direkt oder indirekt von den Kämpfen betroffen. Die Situation sei nahezu überall extrem angespannt, erklärte IKRK-Sprecher Hicham Hassan in Genf. "Es ist mittlerweile sehr schwer, medizinische Behandlung zu erhalten, und auch Grundnahrungsmittel wie Brot sind in weiten Teilen Syriens sehr schwer zu bekommen." Hassan zufolge hat der Syrische Rote Halbmond aber weiter Zugang zu Bedürftigen auch in umkämpften Regionen.

Lage der Flüchtlinge ist dramatisch

Syriens Regierung hatte am Mittwoch auch neun UN-Organisationen und sieben privaten Hilfsorganisationen Einsätze erlaubt. Zu ihnen zählt der Bonner Verein Help. Zur Umsetzung machten UN-Sprecher noch keine Angaben. Help unterstützt sei 2008 irakische Flüchtlinge in Syrien mit Mitteln des Auswärtigen Amtes. Ob eine Ausweitung der Arbeit auf bedürftige Syrer angesichts der Umstände möglich ist, sei völlig ungewiss, sagte Heinz Bitsch von Help. Es gebe bisher lediglich Gespräche darüber.

Nach Rotkreuz-Angaben kämpfen Rebellen und regierungstreue Kräfte derzeit vor allem um die Vorherrschaft in ländlichen Gebieten und einzelnen Stadtvierteln. Die Lage der Flüchtlinge sei dramatisch, sagte IKRK-Sprecher Hassan. "Bei denjenigen, die etwa aus Al-Hula geflohen sind, vor allem Frauen, Kinder und Alte, beobachten wir Angst um Angehörige, eine allgemeine Furcht vor der Zukunft und blanke Not." Öffentliche Gebäude, in denen viele Vertriebene Unterschlupf gefunden hätten, müssten dringend mit dem Nötigsten versorgt werden.