Berlin (epd). Wegen angeblicher Zensur hat das US-Außenministerium mehrere Europäer, darunter die Geschäftsführerinnen der Berliner Organisation „HateAid“, mit Sanktionen belegt. Das US-Außenministerium hatte am Dienstagabend deutscher Zeit Sanktionen gegen die „HateAid“-Geschäftsführerinnen Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon sowie drei weitere Europäer verkündet. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) erklärte solidarisch mit der Berliner Organisation. „Das ist Zensur in Reinform, wie wir sie bisher nur aus autokratischen Regimen kannten“, sagte der DJV-Vorsitzende Mika Beuster am Mittwoch.
Die fünf Personen zwingen laut US-Außenminister Marco Rubio amerikanische Plattformen zur „Zensur, Demonetarisierung und Unterdrückung unerwünschter amerikanischer Meinungen“. „HateAid“ hatte Anfang Dezember in einer Petition gemeinsam mit weiteren Organisationen die Bundesregierung aufgefordert, die von Elon Musk geführte Plattform X zu verlassen.
Unverzichtbare Hilfe für Hassopfer
Bei den Sanktionierten handelt es sich laut Rubio um „radikale Aktivisten und politisch instrumentalisierte Nichtregierungsorganisationen“. Anna-Lena von Hodenberg hatte erst im Oktober von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz für ihr ehrenamtliches Engagement verliehen bekommen. „HateAid“ unterstützt Menschen, die Opfer von Hass und Bedrohungen im Internet geworden sind.
Der DJV-Vorsitzende Mika Beuster sieht in der Arbeit von „HateAid“ einen „unverzichtbaren Beitrag zur Hilfe von Hassopfern“. Von Beleidigungen, Drohungen und Diffamierungen im Netz seien auch viele Journalistinnen und Journalisten betroffen. Dieses Engagement dürfe „nicht durch staatliche Schikanen behindert werden, egal von welchem Staat“.
„HateAid“ teilte mit, dass bereits kurz vor der Bekanntgabe durch das US-Außenministerium ein gültiges ESTA-Visum zur Einreise in die USA für Josephine Ballon widerrufen worden sei. Die Organisation vermutet hinter den Sanktionen von Hodenbergs und Ballons Einsatz für Rechte von Internetnutzern und die Umsetzung von EU-Digitalgesetzen wie dem „Digital Services Act“.
„Ist McCarthy's Hexenjagd zurück?“
„Soweit wir das bisher überblicken können, bedeutet das, dass wir und gegebenenfalls auch unsere Familien nicht mehr in die USA einreisen dürfen“, erklärte von Hodenberg in einem LinkedIn-Beitrag am Mittwoch. „HateAid“ müsse befürchten, dass sie von US-Diensteanbietern gesperrt und blockiert werden. Sie forderte von der Bundregierung und der Europäischen Kommission ein „klares Signal, dass das nicht hinnehmbar ist“.
Neben von Hodenberg und Ballon ist auch der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton betroffen. Auch er war am Zustandekommen des „Digital Services Act“ beteiligt. Auf X schrieb der Franzose: „Ist McCarthy's Hexenjagd zurück?“ Der Republikaner Joseph McCarthy hatte im USA der 1950er Jahre Angst vor einer vermeintlichen kommunistischen Unterwanderung geschürt. Zudem sind der britische Geschäftsführer des „Center for Countering Digital Hate“, Imram Ahmed, und die Geschäftsführerin des britischen „Global Disinformation Index“, Clare Melford, betroffen.


