Streit um Aufnahme von Afghanen erreicht Europäischen Gerichtshof

Streit um Aufnahme von Afghanen erreicht Europäischen Gerichtshof
Bis Jahresende will die Bundesregierung einen großen Teil der Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage einreisen lassen, noch mehr als 500 Menschen. Ein Richter, der nicht darunter sein soll, zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
17.12.2025
epd
Von Corinna Buschow und Lena Köpsell (epd)

Berlin (epd). Der Streit um die Aufnahme gefährdeter Afghanen in Deutschland geht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ein ehemaliger afghanischer Richter und seine Familie klagen dort gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte auf einstweiligen Rechtsschutz, wie der Verein am Mittwoch in Berlin mitteilte. Der Richter, der sich in Pakistan aufhält und mit Ablauf des Jahres die Abschiebung nach Afghanistan fürchtet, hatte vor Jahren eine Aufnahmezusage für Deutschland bekommen, soll nun aber nicht einreisen dürfen, wenn es nach der Bundesregierung geht.

Die hatte kürzlich entschieden, dass Menschen, die über das sogenannte Überbrückungsprogramm und die Menschenrechtsliste gekommen waren, keine Visa mehr bekommen sollen. Das sind rund 650 Menschen. Zusagen über das von der Ampel-Koalition aufgelegte Bundesaufnahmeprogramm sollen dagegen eingehalten werden. Zudem hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Aufnahme der noch im Verfahren befindlichen früheren Ortskräfte in Afghanistan tätiger deutscher Institutionen versprochen.

Rund 540 Menschen sollen noch Visa erhalten

Nach Angaben einer Sprecherin des Bundesinnenministeriums vom Mittwoch geht es aktuell noch um 76 Ortskräfte und 465 Menschen aus dem Bundesaufnahmeprogramm, die bis Jahresende kommen sollen. Pakistan hat angekündigt, die verbliebenen Afghaninnen und Afghanen aus deutschen Aufnahmeprogrammen ab dem Januar abzuschieben. 609 Afghaninnen und Afghanen sind nach Angaben der Sprecherin seit September eingereist, zuletzt über Charterflüge.

Nach Angaben der Grünen hat es zuletzt aber auch an Ortskräfte Absagen gegeben. Der Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich sprach nach einer Sitzung des Innenausschusses mit Dobrindt von einer „Kehrtwende“, die aber nicht erklärt worden sei. Grüne und Linke sowie Flüchtlingsorganisationen und Kirchen kritisieren zudem die Absage an die rund 650 Menschen aus den älteren Programmen.

Richter verurteilte Taliban-Mitglieder

Die Menschen haben zum Teil seit der Zeit kurz nach der Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban Aufnahmezusagen aus Deutschland. Neben Ortskräften von Bundeswehr und anderen Institutionen geht es um Menschen aus dem Land, die sich an der Seite der westlichen Streitkräfte für den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaats in Afghanistan eingesetzt hatten und deswegen heute Verfolgung fürchten müssen.

Der Richter, der nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zieht, war der Gesellschaft für Freiheitsrechte zufolge etwa oberster Richter in Afghanistan und verurteilte zahlreiche Taliban-Mitglieder, die ihm und seiner Familie heute mit dem Tod drohen. Sein Fall beschäftigte bereits Verwaltungsgerichte, wo er unterlag, sowie das Bundesverfassungsgericht. Das höchste deutsche Gericht entschied Anfang Dezember, dass die Bundesregierung über den Visumsantrag des Richters zügig entscheiden muss - aber nicht, wie die Entscheidung ausfallen soll. Die Regierung lehnte den Antrag letztlich ab.

Rückendeckung erhält Dobrindt für sein Vorgehen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). „Der Bundesinnenminister wird das hier nach Recht und Gesetz vollziehen“, sagte er am Mittwoch im Bundestag. Rechtsverpflichtungen würden eingehalten, aber auch Sicherheitsüberprüfungen. Man schaue genau hin, „wer nach Deutschland kommt und wer hier auf Dauer einen Aufenthaltsstatus bekommt“.