Studie: Bürgergeldbezieher beklagen mangelnde Jobcenter-Unterstützung

Studie: Bürgergeldbezieher beklagen mangelnde Jobcenter-Unterstützung
Langzeitarbeitslose Bürgergeldempfänger suchen laut einer Studie selten selbst nach einem Job, oft aus gesundheitlichen Gründen. Zugleich vermissen sie Unterstützung der Jobcenter. Der Paritätische kritisiert den Fokus der Studie als "irreführend".

Gütersloh (epd). Mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen im Bürgergeldbezug investiert einer Umfrage zufolge wenig Zeit in die Jobsuche. Gründe seien oft Krankheit oder familiäre Verpflichtungen, ergab die am Donnerstag veröffentlichte Erhebung des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. So hätten drei Viertel derjenigen, die nicht aktiv nach Stellen suchten, gesundheitliche Belastungen als Hemmnis genannt. 22 Prozent führten die Pflege von Angehörigen oder Kinderbetreuung an.

Zugleich gibt die Umfrage Hinweise auf gravierende Lücken in der Betreuung durch die Jobcenter. So sagten knapp 43 Prozent aller Befragten, sie hätten noch nie ein Arbeitsplatzangebot übermittelt bekommen. Für die Studie waren rund 1.000 Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger befragt worden, die seit mindestens einem Jahr Leistungen erhalten.

Sozialverband: 40 Prozent der Abgänge aus dem Bürgergeld im ersten Jahr

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die Erhebung für unausgewogen. „Die aktivste Gruppe - jene im ersten Jahr - fehlt komplett“, kritisierte ein Sprecher. Dabei zeigten Statistiken der Jobcenter, dass 40 Prozent der Abgänge aus dem Bürgergeld genau in diesem Zeitraum erfolgten. Damit werde ein erheblicher Teil der Leistungsberechtigten in der Analyse ignoriert.

Im Befragungszeitraum gaben laut der Studie 57 Prozent der interviewten Langzeitarbeitslosen an, sich in den zurücklegenden vier Wochen nicht aktiv um eine Arbeit bemüht zu haben, 53 Prozent der Männer und 63 Prozent der Frauen. Gerade mal sechs Prozent investierten 20 oder mehr Stunden in der Woche, hieß es. Knapp 38 Prozent aller Befragten monierten, ihnen sei bislang keine Weiterbildungsmaßnahmen angeboten worden.

Von denen, die nicht aktiv nach Arbeit suchten, begründete jeder und jede Zweite (49 Prozent) die fehlende Motivation zudem mit zu wenig passenden Stellen. Ein gutes Viertel erklärte, dass sich die eigene finanzielle Lage durch reguläre Arbeit nicht verbessern würde. Knapp die Hälfte aller Befragten (45 Prozent) berichtete von einer psychischen oder chronischen Erkrankung.

Mütter erhalten selten Weiterbildungsmaßnahmen

Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit Berufsabschluss die besten Karten bei Jobangeboten hätten, gefolgt von Hochschulabsolventen, erklärte Roman Wink, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. Weiterbildungsmaßnahmen würden vor allem Menschen mit Hauptschulabschluss angeboten, seltener für Frauen, besonders mit kleinen Kindern. Wink forderte generell mehr Unterstützung für Mütter, die arbeiten wollten, etwa durch eine verlässliche Kinderbetreuung.

Wer zu lange Sozialleistungen beziehe, verliere oft den Anschluss an den Arbeitsmarkt, warnte Tobias Ortmann von der Stiftung. Die Jobcenter müssten passgenaue Stellen anbieten sowie berufliche Weiterbildung fördern, um die Motivation von Langzeitarbeitslosen zu stärken. Laut der Statistik sind rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos und beziehen Bürgergeld, könnten aber prinzipiell arbeiten.

Paritätischer: Jobcenter besser ausstatten

Der Paritätische wies darauf hin, dass in der Studie knapp 60 Prozent der befragten Menschen seit über drei Jahren im Bürgergeld seien, 40 Prozent sogar seit mehr als fünf Jahren. „Dass diese Menschen Phasen haben, in denen sie sich nicht bewerben oder die Jobsuche zeitweise aufgegeben haben, ist wenig überraschend“, sagte der Sprecher. Die Bürgergeld-Debatte sollte sich daher auf die Qualität und Ausstattung der Jobcenter konzentrieren. Die Studie liefere wichtige Hinweise, wo Verbesserungen in der Arbeitsförderung notwendig seien.

Am 10. Dezember soll der Umbau des Bürgergelds zur neuen Grundsicherung vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Der Referentenentwurf sieht vor, dass Grundsicherungsbeziehenden früher und in größerem Umfang als bisher Leistungen gekürzt werden können bis zur kompletten Streichung inklusive Zahlungen für Miete und Heizung.