Frau Fendler, was sind ihre Aufgaben im Militärpfarramt?
Ulrike Fendler: Natürlich Gottesdienste, Kasualien wie Hochzeiten und Taufen, lebenskundlich-ethischer Unterricht, Rüstzeiten. Ich begleite Soldatinnen und Soldaten in den Einsätzen, auch im Ausland. In Afghanistan, Litauen und der Türkei war ich schon dabei. Wo auch immer: die Seelsorge steht obenan. Es gibt keinen Tag, wo ich nicht zumindest ein Seelsorgegespräch habe.
Worum geht es da?
Fendler: Probleme in der Familie und mit Vorgesetzten, Versetzungsanliegen, Gedanken rund um einen Einsatz, etwa im Ausland. Da kommen auch Angehörige. Dann schauen wir gemeinsam, wo eine Stärkung nötig und möglich ist. Ich biete in der Regel keine Lösung an. Ich unterstütze dabei, eigene Lösungen zu entdecken. Stärkung kann ganz unterschiedlich sein: Tatsächlich wünschen sich viele einen Segen für das, was vor ihnen liegt. Oder sie brauchen ganz praktische Unterstützung, beispielsweise bei einem Auslandseinsatz. Dann kann ich beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem Familienbetreuungszentrum hier in der Kaserne dabei helfen, mehr Kinderbetreuung zu organisieren.
Dabei ist es sicher gut, in der Kaserne präsent zu sein...
Fendler: Meine Tür steht fast immer offen. Die Leute kommen und sagen, ach, ich wollte mal eben Hallo sagen. Viele wollen aber eben nicht nur Hallo sagen. Dann machen wir einen Termin. Und ich gehe ständig durch die Kaserne, mit ausgefahrenen Antennen. Dafür nehme ich mir Zeit und habe sie auch, weil es viele bürokratische Dinge, die ich im Gemeindepfarramt machen müsste, bei mir nicht gibt. Hier bin ich freigestellt für die Menschen.
"Die Bedrohungen sind konkreter, fassbarer. Das bewegt die Menschen."
Wie sind Sie in der Bundeswehr eingebunden?
Fendler: Solange ich im Militärpfarramt arbeite, bin ich Bundesbeamtin. Weisungsbefugt ist für mich die Kirche, letztlich das evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr in Berlin. Das ist die zentrale Verwaltungsbehörde der evangelischen Militärseelsorge. Ich bin nicht Teil der militärischen Hierarchie, habe einerseits seelsorgliche Schweigepflicht, andererseits aber auch Vortragerecht auf allen Ebenen. Ich habe Freiheiten, die in meinem Dienst wichtig sind. Das sind Säulen des Vertrauens der Soldatinnen und Soldaten zur Militärseelsorge. Natürlich muss ich mich an die Regeln in der Bundeswehr halten. Ich sehe mich aber auch als kritisches Gegenüber innerhalb und für die Truppe. Ich persönlich komme mit der hierarchischen Struktur in der Bundeswehr gut klar und mag klare Ansagen.
Sie sind nun schon so lange dabei: Hat sich in der Seelsorge seit 2014 etwas geändert?
Fendler: Nein, die Themen, um die es in Gesprächen geht, sind seit 2014 grundsätzlich gleichgeblieben. Aber durch die veränderte Sicherheitslage hat sich einfach vieles verschärft. Die Bedrohungen sind konkreter, fassbarer. Das bewegt die Menschen.
Wie nehmen Sie aktuell die friedensethische Debatte und die Diskussion um die Zukunft der Bundeswehr wahr?
Fendler: Das sind wichtige Debatten. Aber wir brauchen jetzt Entscheidungen und Klarheit. Ich fand die Wehrpflicht früherer Jahre gut - auch, weil da junge Leute aus ganz unterschiedlichen Milieus auf der Stube zusammengekommen sind, die zuvor wenig miteinander zu tun hatten. Ich persönlich bin für die Wehrpflicht. Und perspektivisch für ein allgemeines Pflichtjahr, in der Bundeswehr oder im gesellschaftlichen Bereich. Auch, um für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen.



