Nairobi (epd). Immer morgens um sechs nimmt Nicholas seine Tablette. Sie hält die Krankheit des 16-Jährigen im Griff. Nicholas, der eigentlich anders heißt, ist HIV-positiv. Dank der Medikamente kann der junge Kenianer aber sein Leben leben.
Das ist für den Jugendlichen aus dem Slum Kibera in der kenianischen Hauptstadt Nairobi nicht einfach. Das Geld ist knapp zu Hause, das Essen auch. Seine Sorgen trägt Nicholas heute zu Simeon Otieno. Der 26-Jährige hilft im Tabitha Medical Center in Kibera aus und begleitet HIV-positive junge Menschen wie Nicholas.
Begleitung für Jugendliche wichtig
Joy Barnice, Leiterin der Tabitha Gesundheitsklinik, betont, wie wichtig Unterstützung und Begleitung besonders für Jugendliche sind. Mit der Pubertät und ersten Beziehungen starte ein neuer Prozess der Auseinandersetzung mit der Infektion, erklärt sie. Man müsse in Beziehungen darüber reden - und damit rechnen, weggestoßen zu werden. Simeon Otieno, selbst HIV-infiziert und als Aids-Waise aufgewachsen, weiß, wie das ist: Auch er hat solche Zurückweisungen mehrmals erlebt, hat zwischendurch die Medikamente nicht genommen, weil er die Krankheit verdrängen wollte.
In Kenia mit seinen rund 60 Millionen Einwohnern sind nach offiziellen Zahlen gut 1,3 Millionen Menschen HIV-positiv, im vergangenen Jahr kamen knapp 20.000 dazu. Etwa zwei Drittel sind Frauen. Die HIV-Prävalenz, die die Infektionen bei 15- bis 49-Jährigen angibt, liegt bei drei Prozent - Mitte der 1990er Jahre waren es mehr als zehn Prozent. In den Slums ist die Rate jedoch noch immer sehr viel höher als im Rest des Landes. 21.000 Todesfälle im Zusammenhang mit HIV wurden 2024 verzeichnet.
Weltweit sind rund 40 Millionen Menschen infiziert. 2024 starben etwa 600.000 an den Folgen von Aids.
Medikamente als Rettungsleine
1981 wurde Aids erstmals als Krankheit beschrieben. Der Erreger war noch unbekannt. Während eine HIV-Infektion damals praktisch einem Todesurteil glich, hat sich seit Ende der 1990er Jahre eine Kombination von mehreren Wirkstoffen als wirksame Behandlung durchgesetzt. Die Mittel, die das Virus im Blut unterdrücken, sind die Rettungsleine für Millionen Infizierte weltweit.
Allerdings ist die Versorgung so gefährdet wie nie seit ihrer Einführung. Finanzielle Kürzungen, vor allem der USA, machen den Programmen zu schaffen. Als Präsident Donald Trump im Januar erklärte, die Hilfsgelder einzustellen, ging eine Schockwelle um die Welt - auch durch Kibera. Nach wenigen Monaten willigte die US-Regierung ein, zumindest die HIV-Programme weiterhin zu unterstützen. Sie will nun ihre Fördermittel zentralisieren und an Regierungen geben, anstatt an Hilfsorganisationen.
Bangen um Nachschub
Die Tabitha Gesundheitsklinik, betrieben von der amerikanischen Hilfsorganisation CFK Africa, musste in diesem Jahr für mehrere Wochen einen Teil ihrer Arbeit einstellen. Es war unklar, ob rechtzeitig Nachschub für die von den USA finanzierten Medikamente kommen würde, die die Klinik von der kenianischen Medikamentenbehörde gestellt bekommt.
Ganz wichtig aber bleiben Aufklärung und Begleitung, wie die Klinikleitung betont. Und um zu erreichen, dass sich künftig niemand mehr mit HIV infiziert, spielten gerade Ehrenamtliche wie Simeon Otieno eine wichtige Rolle, sagt Joy Bernice. Sie helfen beim Durchhalten in der Medikamenten-Therapie. Es gebe einen Ermüdungseffekt, „man muss dranbleiben“, betont Bernice.
Hausbesuche drücken Infektionsrate
Zusätzlich zu den Gesprächspartnerinnen und -partnern in der Klinik gibt es Teams von Ehrenamtlichen, die Hausbesuche machen. Die Übertragung des Virus von HIV-positiven Müttern auf ihre Kinder ist dadurch im Einzugsbereich der Klinik auf null gesunken. Landesweit liegt die Übertragungsrate von Mutter zu Kind in Kenia bei neun Prozent.
Nach dem Schock aus Washington gab es in diesem Jahr auch gute Nachrichten im Kampf gegen das HI-Virus: Mit Lenacapavir ist erstmals eine Langzeitprävention auf dem Markt, die alle sechs Monate aufgefrischt werden muss. Noch sind die Dosen teuer, und doch macht die neue Entwicklung Hoffnung, dass Aids eines Tages der Vergangenheit angehören könnte.




