Mediziner: Bürgergeld-Reform verschlimmert Krankheiten

Mediziner: Bürgergeld-Reform verschlimmert Krankheiten
Die gesundheitlichen Folgekosten der Bürgergeld-Reform seien wahrscheinlich höher als die Einsparungen, sagt der Arzt Benjamin Wachtler. Die Politik der Bundesregierung hält er nicht für rational, sondern für ideologiegetrieben.
23.11.2025
epd
epd-Gespräch: Nils Sandrisser

Maintal (epd). Der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte warnt vor den Folgen der geplanten Bürgergeld-Reform für das Gesundheitssystem. Der Arzt Benjamin Wachtler vom Vorstand des Vereins mit Sitz in Maintal sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er gehe davon aus, dass die Reform kein Geld spare, sondern „unter dem Strich teurer wird“.

Eine nachhaltige Erhöhung der Beschäftigung durch die Reform, wie von der Bundesregierung angenommen, erwartet Wachtler nicht. Die Belege dafür aus anderen europäischen Ländern, dass dies funktioniere, seien „sehr schwach“, erklärte er: „Meistens ist nur ein kurzfristiger Effekt zu beobachten gewesen.“

Zusammenhang von Armut und Krankheit

Die gesundheitlichen Folgekosten hingegen würden gar nicht bedacht, kritisierte der Mediziner. Ein Zusammenhang von Armut und Krankheit sei wissenschaftlich gut belegt. Das umfasse nicht nur materielle, sondern auch psychosoziale Einflussfaktoren. „Wenn Menschen sich selbst im Vergleich zu anderen als weniger in der Lage sehen, an der Gesellschaft teilzuhaben, verschlechtert das ihre Gesundheit“, sagte er. Dies erhöhe die Krankheitslast allgemein und somit die finanzielle und personelle Belastung des Gesundheitssystems.

Wachtler führte psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen als Beispiele an. „Wenn man Druck und Stress für diese Leute erhöht, die ohnehin an einem chronisch erhöhten Stresslevel leiden, dann kann das ihre Krankheit verschlimmern“, erläuterte er.

Am 10. Dezember soll der Umbau des Bürgergelds zur neuen Grundsicherung vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Der Referentenentwurf sieht vor, dass Grundsicherungsbeziehende früher und in größerem Umfang als bisher die Leistungen gekürzt werden können bis zur kompletten Streichung inklusive Zahlungen für Miete und Heizung. Auch die Wohnkosten werden früher und strenger als bisher darauf geprüft, ob sie als angemessen eingestuft und damit in vollem Umfang übernommen werden.

Gefahr für die Demokratie

Wachtler sagte, er halte das „nicht für eine rationale, sondern für eine ideologiegetriebene Politik“. Die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD seien offensichtlich übereingekommen, trotz der schwierigen Lage der Haushalte höhere Einnahmen auszuschließen. Daher sparten sie bei den Ärmsten, wo allerdings am wenigsten zu holen sei.

„Was auch nicht im Blick zu sein scheint, ist die Gefahr für die Demokratie“, sagte Wachtler weiter. Es sei jedoch ebenfalls wissenschaftlich gut belegt, dass in Regionen mit vergleichsweise hoher Krankheitslast demokratiefeindliche Einstellungen stärker verbreitet seien.