Berlin (epd). Die Gruppe der Jenischen macht neuen Druck bei der Forderung nach Anerkennung als nationale Minderheit in Deutschland. Am Dienstag legte der Zentralrat der Jenischen in Berlin Gutachten vor, die belegen sollen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt sind. Die Jenischen seien eine eigenständige Minderheit mit eigener Sprache, Musik, Kultur und Siedlungsgebieten, sagte der Vorsitzende des Verbands, Renaldo Schwarzenberger.
Deswegen müssten sie als fünfte nationale Minderheit anerkannt werden, sagte Schwarzenberger. Nationale Minderheiten erhalten unter anderem staatliche Förderung für den Erhalt ihrer Sprache und Kultur. Anerkannt als solche sind in Deutschland die Sorben, Friesen, Dänen sowie Sinti und Roma. Zur Voraussetzung gehört, dass die Mitglieder der Minderheit in Deutschland beheimatet und deutsche Staatsangehörige sind, sich von der Mehrheitsbevölkerung aber durch eigene Sprache, Kultur und Geschichte unterscheiden.
Bis zu 200.000 Jenische leben in Deutschland
Die Jenischen sind eine ethnische Minderheit, die seit dem frühen Mittelalter in Europa beheimatet ist. Sie lebten als Fahrende wie Roma und Sinti, sind aber heute - anders als diese - kaum bekannt. Nach Angaben ihres Zentralrats leben schätzungsweise 150.000 bis 200.000 Jenische in Deutschland. Von den Nationalsozialisten wurden die Jenischen als „Asoziale“ verfolgt, interniert und in Psychiatrien und Konzentrationslagern ermordet.
Die Gruppe kämpft bereits seit Längerem um die Anerkennung als Minderheit. Unterstützung bekommen sie von der ehemaligen Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau (Linke). Mit den vorgelegten Gutachten seien Argumente, die bislang als Hindernis für eine Anerkennung gesehen worden seien, fachlich widerlegt, sagte sie. Ziel des Zentralrats ist es, eine Anhörung zu dem Thema im Bundestag zu erreichen, um Abgeordnete von der Anerkennung zu überzeugen.
Verband will Anhörung im Bundestag erreichen
Dass die Jenischen eine eigene Identität mit eigener Sprache und Kultur haben, sei bislang von der Politik bestritten worden, erläuterte Schwarzenberger. Die am Dienstag vorgelegten Gutachten unter anderem zur Sprache, Literatur und Ethnologie der Jenischen sollen Bundesregierung und Bundestag, die über die Anerkennung entscheiden müssten, nun zu neuem Nachdenken bewegen.
Der Ethnologe Marrti Zeyer, der für den Verband arbeitet, sagte, es sei auch widersprüchlich, wenn die Bundesregierung - die aktuelle wie die vorherige - den Jenischen eine eigene Identität abspreche, der ehemalige Antiziganismusbeauftragte Mehmet Daimagüler sie aber als von Diskriminierung betroffene Gruppe anerkannte, eben weil sie sich durch bestimmte Merkmale von der Mehrheitsbevölkerung unterscheide. In seinem Gutachten verweist er auch auf die historische Verantwortung Deutschlands, die mit der Frage der Anerkennung verbunden sei.



