Kirche ringt um Machtfragen und Verantwortung

Podium auf EKD-Synode
epd-bild/Heike Lyding
"Kirche und Macht" lautet das Schwerpunktthema von UEK, VELK und EKD auf der 6. Tagung der 13. Synode der EKD in Dresden.
EKD-Synode tagt in Dresden
Kirche ringt um Machtfragen und Verantwortung
Betroffene von Missbrauch sprechen ehrlich und offen auf der EKD-Synode - und versetzen das Kirchenparlament in Schweigen. Fachleute fordern eine Auseinandersetzung mit Strukturen, die Verantwortung verwischen und Menschen ausschließen.

"Ich bin Lehrer, Trans-Mann und Betroffener von sexualisierter Gewalt", sagt am Samstag einer, der vor den Delegierten des evangelischen Kirchenparlaments in Dresden spricht und der seinen Namen nicht öffentlich nennt, weil er "unwichtig" sei, sagt er. Er sagt auch: "Ich stehe hier stellvertretend für die, die nicht sprechen können, deren Leben durch den sexuellen Missbrauch zur Hölle wurde."

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die noch bis Mittwoch tagt, beschäftigt sich in diesem Jahr mit dem Schwerpunktthema "Kirche und Macht". Auslöser dafür sind vor allem die Ergebnisse der evangelischen Missbrauchsstudie, die im Januar 2024 veröffentlicht wurde. Die Erkenntnisse von Verantwortungsdiffusion im Umgang mit schwersten Verbrechen sollen auch zu einem Reflexionsprozess führen, wie in der evangelischen Kirche über Macht gesprochen wird.

"Von meinem 11. bis zu meinem 18. Lebensjahr wurde ich von einem Dekanatsjugendwart missbraucht und vergewaltigt, ich war schutzlos und ausgeliefert", erzählt der Mensch auf der Bühne. Der Täter sei ein charismatischer Mann Ende 30 gewesen. "Er hatte alle Macht, weil die Kirche als sicherer Ort der Begegnung galt, wo Undenkbares nicht passieren konnte."

Nach Schilderungen Schweigen im Saal

Nach den Schilderungen von Betroffenen herrscht langes Schweigen im Saal des Tagungszentrums. Dass Macht auch etwas mit Sprachfähigkeit zu tun hat, hatte zuvor ein weiterer Redner zum Thema verdeutlicht.

Der Hildesheimer Theologe Georg Kalinna stellte in seinem Vortrag fest, dass in der Theologie Macht eng mit dem Göttlichen zusammenhänge. Daher stehe in der Theologie ein positiver Machtbegriff im Vordergrund. "Trotzdem besteht natürlich immer die Gefahr, dass die Theologie Ohnmachtserfahrungen bagatellisiert." Auch bestehe die Gefahr, dass Verantwortung verwischen könne, indem man sich etwa als Verantwortlicher handlungsunfähig präsentiere, sagte Kalinna - eine Erfahrung, die viele Missbrauchsopfer machten, wie die Missbrauchsstudie offenbart hat.

"Wer Macht nur als sanfte, liebevolle oder vertrauensvolle Macht gelten lässt, kann die legitime Durchsetzung von Interessen infrage stellen, und gerade die Fokussierung auf gute Macht, sei sie schützend, fürsorglich oder befreiend, kann den Blick auch für Aspekte von Macht verstellen, wenn es um notwendige Kontrolle oder Checks-and-Balances geht", sagte Kalinna.

Forscher: Kirche muss Graubereiche anschauen

Der Bielefelder Organisationssoziologe Stefan Kühl sagte, die Kirche sei im Umgang mit Missbrauchsfällen nicht stark gewesen. Seiner Ansicht nach müssten neben den klaren Fällen von Gewalt auch die Graubereiche angeschaut werden, für die es zahlreiche Beispiele gebe. Es sei naiv, davon auszugehen, dass man in einer Organisation offen über Macht sprechen könne, sagte Kühl. Setze man sich dies zum Ziel, sei man eine "heuchelnde Organisation".
Wichtig sei, dass Machtbeziehungen zwar asymmetrische Beziehungen seien, in denen aber beide Seiten über Machtquellen verfügten. "Eine vermeintlich ohnmächtige Person hat in Machtbeziehungen trotzdem Einflussmöglichkeiten", sagte er.

Mehr Diversität und Repräsentanz in Kirchengremien

Alena Höfer, Referentin für Frauenpolitik und intersektionalen Feminismus bei der westfälischen Landeskirche, sagte, der erste Schritt für eine machtsensible Kirche sei die Reflexion darüber, "wer noch nicht am Tisch der Entscheidung sitzt". Für mehr Diversität und Repräsentanz sei entscheidend, wer etwa Delegierte für Kirchengremien wähle. "Wenn innerhalb dieses Pools keine Repräsentanz bestimmter Gruppen da ist, kann Diversität gar nicht in bestimmte Gremien gewählt werden", sagte sie.

Es sei wichtig zu verstehen, wie Strukturen Menschen systematisch ausschließen. "Haltung bedeutet nicht, ein Statement oder Grundlagenpapier zu produzieren. Haltung bedeutet, in der permanenten Begegnung mit Betroffenen von Diskriminierung klare Positionen zu vertreten."