Gesundheitsökonom sieht kaum Sparpotenzial bei Pflegegrad 1

Gesundheitsökonom sieht kaum Sparpotenzial bei Pflegegrad 1
30.10.2025
epd
epd-Gespräch: Dieter Sell

Bremen (epd). Der Pflegeforscher und Gesundheitsökonom Heinz Rothgang sieht in höheren Hürden für Einstufungen in Pflegegrade ein gewisses Sparpotenzial für die Pflegeversicherung. Diese Schwellenwerte seien 2015 abgesenkt worden, um mehr Menschen in höhere Pflegegrade zu bekommen, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Wirkungen dieser Anpassungen können tatsächlich einmal überprüft werden.“

Das gelte aber nicht für den Pflegegrad 1, betonte der Bremer Wissenschaftler. Die derzeit diskutierte Anhebung des Schwellenwerts im niedrigsten Pflegegrad sei kein relevanter Beitrag zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung. Der Pflegegrad 1 trage dazu bei, „dass die Empfängerinnen und Empfänger länger in der eigenen Häuslichkeit bleiben können und vermeidet so auch höhere Kosten, wenn sie andernfalls einen höheren Pflegegrad beantragen oder früher in ein Heim ziehen müssten“.

Bis zum Jahresende will eine von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) eingesetzte Bund-Länder-Kommission Eckpunkte für eine nachhaltige Finanzierung der defizitären Pflegeversicherung vorlegen. In diesem Zusammenhang wurde zunächst eine Streichung des Pflegegrads 1 zur Sprache gebracht. Nun gibt es Überlegungen, Geld im untersten Pflegegrad erst bei größeren Einschränkungen als bislang zu bewilligen.

Rothgang plädierte für einen Perspektivwechsel in der Debatte um die Pflegeversicherung. Schließlich sei klar, dass die Ausgaben für Pflegeleistungen in einer alternden Gesellschaft und bei steigenden Anforderungen an gute Pflege wachsen müssten. „Es kann also nicht ums Sparen gehen, sondern um die Finanzierung des notwendigen Wachstums“, sagte er.

Der Gesundheitsökonom sieht die Zukunft in einer solidarischen Pflegeversicherung mit höherem Leistungsumfang. Er fordert eine Strukturreform und nennt zu deren Finanzierung vor allem drei Optionen. So sollte die Beitragsbemessungsgrenze, bis zu der Beiträge für die Pflegeversicherung fällig sind, angehoben werden.

Außerdem sollten alle Einkommensarten zur Finanzierung herangezogen werden, neben dem Arbeitseinkommen also auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Überdies müsse es einen Finanzausgleich zwischen der sozialen und der privaten Pflegeversicherung geben.