Berlin (epd). Fachberatungsstellen des Koordinierungskreises gegen Menschenhandel fordern einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Menschenhandel und Ausbeutung. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) veröffentlichte am Mittwoch in Berlin eine entsprechende Studie. Demnach bleibt ein Großteil der Taten unentdeckt und die betroffenen Kinder und Jugendlichen erhielten keine Unterstützung. Anlass ist der Europäische Tag gegen Menschenhandel am 18. Oktober.
Die Studie mit dem Titel „Durchs Raster gefallen? Kinder und Jugendliche als Betroffene von Menschenhandel in Deutschland“ beruht auf einer schriftlichen Umfrage in Fachberatungsstellen im ersten Halbjahr 2025. Daran beteiligten sich 42 Mitarbeitende. Unter Verweis auf das Lagebild des Bundeskriminalamtes gab es laut Institut im vergangenen Jahr 246 abgeschlossene Ermittlungsverfahren in diesem Deliktbereich. Das Institut geht allerdings von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.
Dabei geht es etwa um Kinder und Jugendliche, die im Rahmen von sexuellen Handlungen, kriminellen Aktivitäten wie Drogenhandel, Bettelei oder durch Arbeit ausgebeutet werden. Mädchen mit deutscher Staatsangehörigkeit sind demnach die größte Gruppe minderjähriger Betroffener. Sie würden vor allem sexuell ausgebeutet. Mit der sogenannten Loverboy-Methode täuschten Täter oft eine Liebesbeziehung vor und zwängen die Mädchen zu sexuellen Handlungen gegen Bezahlung.
Die Leiterin der Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Menschenrechtsinstituts, Naile Tanis, betonte, innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe fehle es in fast allen Bundesländern an spezialisierten Strukturen, ausreichend geschultem Personal und zentralen Koordinierungsstellen. Es seien verbindliche Absprachen zwischen allen Akteuren nötig - von den Ermittlungsbehörden über die Jugendgerichtshilfe und die Schulsozialarbeit bis zu den Jugendämtern. Als positives Beispiel wurde die Zusammenarbeit der Fachbehörden in Berlin genannt.
Das Menschenrechtsinstitut spricht sich in seiner Studie für einheitliche Verfahren zur Identifizierung und Betreuung der Betroffenen aus. Mitarbeitende der Jugendhilfe müssten entsprechend geschult werden, „Menschenhandel und Ausbeutung als Kindeswohlgefährdung zu erkennen“, sagte Tanis.
Martina Döcker vom katholischen Sozialträger In Via in Berlin und Leiterin der dortigen Fachberatungsstelle verwies auf fehlende Unterbringungsmöglichkeiten für betroffene Kinder und Jugendliche. Zudem dauerten die Abstimmungsverfahren zwischen den Behörden teilweise sehr lange. Zugleich lobte sie die Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt. Als große Herausforderung beschrieb sie den Zugang zu Kindern und Jugendlichen, insbesondere wenn deren Eltern Teil des Ausbeutungsnetzwerks seien.
Deutschland hat sich unter anderem durch die Europaratskonvention gegen Menschenhandel und die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet, betroffene Kinder und Jugendliche zu schützen und zu unterstützen.