Beim Pilzesammeln werden alle Sinne gebraucht. "Tasten, sehen, riechen, schmecken - all das spielt eine wichtige Rolle, um zu erkennen, welche Pilze ich zum Verzehr mit nach Hause nehmen kann", erklärt Gerd Kotoll, Pilzguide bei der Firma Wildschytz, die Pilz- und Kräuterwanderungen in ganz Deutschland anbietet. Hören könne man die Pilze selbst zwar nicht, trotzdem sei es wichtig, beim Sammeln von Pilzen im Wald die Ohren offen zu halten. Denn es könnten Äste herabfallen oder Wildtiere beim Essen gestört werden.
Bei Gerd Kotolls Pilzwanderung Ende September in den Harburger Bergen im Süden Hamburgs geht es nicht nur darum, essbare Pilze zu sammeln, sondern auch das Ökosystem Wald mit all seinen Facetten kennenzulernen. Pilze spielen dort eine große Rolle: "Kein anderer Organismus als der Pilz kann Holz zerlegen", erklärt Kotoll. So sind auch die im Harburger Wald auf dem Boden zu findenden toten Holzstämme mit verschiedenen Pilzen bewachsen. "In einem Wald gibt es eigentlich nichts Lebendigeres als totes Holz."
Neun Hamburgerinnen und Hamburger nehmen an der Pilzführung teil. Die meisten von ihnen haben schon ein wenig Erfahrung beim Sammeln von Pilzen. "Ich kann aber nur zwei Arten sicher bestimmen", erzählt Flo (27) aus Eimsbüttel. Er hoffe, einige weitere essbare Sorten kennenzulernen. Aber bei den ersten Schritten im Wald wird klar: Die Bedingungen zum Pilzesammeln sind an diesem Tag nicht ideal. "Ihr hört beim Laufen schon, wie trocken das Laub klingt", erläutert Kotoll. "Pilze brauchen Feuchtigkeit, um zu wachsen. Wenn es weniger regnet, gibt es weniger Pilze."
Über 10.000 Pilzarten in Deutschland
Zwischen 10.000 und 14.000 Pilzsorten gebe es in Deutschland, 6.000 davon kämen auch in Norddeutschland vor. "Ungefähr 320 davon sind essbar. Allein diese Relation zeigt schon, dass man beim Sammeln von Pilzen aufpassen muss", erklärt Kotoll. Ein Vorteil für Europäerinnen und Europäer: Es gebe in Europa keine kontaktgiftigen Arten, alle Pilze könnten zur Bestimmung also angefasst werden. Trotz des mangelnden Regens kann Kotoll gemeinsam mit den Teilnehmenden einige Arten bestimmen.
Zu den ersten Funden gehört der nicht essbare Gelbe Knollenblätterpilz. "Den erkennt ihr zum Beispiel am Geruch: Er riecht nach Kartoffelkeller", beschreibt Kotoll. "Allein das zeigt uns schon, dass er nicht in die Pilzpfanne gehört." Neben dem schlechten Geschmack gebe es noch einen weiteren Grund, warum der Gelbe Knollenblätterpilz laut Kotoll im Wald bleiben sollte. Es bestehe hohe Verwechslungsgefahr mit der giftigen, grünen Variante des Pilzes.
"Allgemein gilt: Man sollte immer nur Pilze zum Verzehr mit nach Hause nehmen, wenn man sie ganz sicher bestimmen kann", betont der 54-jährige Pilzguide. Das mache unter anderem den Maronenröhrling zu einem besonders guten Anfänger-Pilz. Potenzielle Verwechslungspartner seien der ebenfalls essbare Steinpilz oder der nicht essbare Gallenröhrling. Bei der Unterscheidung könne insbesondere der Geschmackssinn helfen: "Wenn man sich nicht sicher ist, ob man einen Maronen- oder Gallenröhrling vor sich hat, schneidet man ein Stück vom Hut ab und leckt an der Schnittstelle. Schmeckt es ekelhaft bitter, ist es ein Gallenröhrling und der Pilz bleibt im Wald."
Unabhängig von der Größe der Ausbeute an essbaren Pilzen empfiehlt Gerd Kotoll, bei Waldspaziergängen auf die Gattung zu achten. Denn: "Je länger man sich mit Pilzen beschäftigt, desto weniger wichtig wird es, ob man überhaupt essbare findet. Was die Natur hier an Formen und Farben zaubert, das ist die wahre Pracht."