Berlin, Brüssel (epd). Das Gesamtvermögen der Milliardärinnen und Milliardäre in der EU ist Oxfam zufolge in der ersten Jahreshälfte um mehr als 400 Milliarden Euro gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von mehr als zwei Milliarden Euro pro Tag, wie aus einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Hilfsorganisation hervorgeht. Demnach wuchs das Vermögen der reichsten EU-Bürgerinnen und -Bürger zwischen Januar und Juni um 405 Milliarden Euro auf insgesamt 2,3 Billionen Euro.
Laut dem Bericht „A European Agenda to Tax the Super-Rich“ lebten im März 2025 in der EU 487 Milliardärinnen und Milliardäre, 39 mehr als im Vorjahr. Im Durchschnitt sei im Jahr 2024 alle neun Tage eine weitere Person zur Gruppe der Milliardäre hinzugekommen. Die reichsten 3.600 Menschen in der EU besitzen demnach inzwischen so viel Vermögen wie die ärmsten 181 Millionen Menschen - das entspreche etwa der Gesamtbevölkerung Deutschlands, Italiens und Spaniens zusammen, erklärte Oxfam.
Die Organisation kritisiert eine Steuerpolitik, die Superreiche begünstige, während die breite Bevölkerung den Großteil der Steuerlast trage. Mehr als 80 Prozent der Steuereinnahmen in der EU werden demnach von Bürgerinnen und Bürgern getragen, nur neun Prozent kämen von Unternehmen und lediglich 0,4 Prozent aus Vermögenssteuern.
Oxfam fordert eine EU-weite Vermögenssteuer von bis zu fünf Prozent für Millionärinnen und Milliardäre. Diese könnte nach Berechnungen der Organisation jährlich rund 286,5 Milliarden Euro einbringen. Dies würde ausreichen, um den jährlichen Finanzbedarf des neuen Vorschlags der EU-Kommission für den EU-Haushalt zu decken.
„Europa bringt Milliardärinnen und Milliardäre in Rekordzahl hervor, während Millionen Menschen Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen“, kritisierte die Oxfam-EU-Steuerexpertin Chiara Putaturo. „Diese Ungleichheit ist kein Zufall.“ Seit den 1980er-Jahren hätten EU-Regierungen die Steuern für Reiche und Unternehmen gesenkt und dafür stärker auf Verbrauchs- und Lohnsteuern gesetzt.
"Statt etwa im sozialen Bereich oder bei der Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen, sollte die Bundesregierung endlich große Vermögen angemessen besteuern”, sagte Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland. Nach Angaben von Oxfam erhebt derzeit nur Spanien innerhalb der EU eine Vermögenssteuer. 1990 seien es noch neun Mitgliedstaaten gewesen, darunter auch Deutschland. Zehn EU-Länder verzichteten demnach vollständig auf eine Erbschaftssteuer.