Bremen (epd). Künstliche Intelligenz (KI) kann nach Ansicht der Berliner Sozialforscherin Jutta Allmendinger menschliche Zuwendung in der Pflege nicht ersetzen. „Das Soziale, das Menschliche, die Liebe - die kann durch Künstliche Intelligenz nie ersetzt werden“, sagte die renommierte Soziologin am Rande einer Fachtagung der Diakonie in Niedersachsen in Lilienthal bei Bremen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gespräche mit KI könnten zwar Gefühle von Einsamkeit lindern, dennoch dürften ältere Menschen nicht der Fiktion erliegen, es mit einer lebendigen Person zu tun zu haben.
Gleichwohl könnten digitale Systeme die Arbeit von Pflegekräften deutlich erleichtern - etwa durch automatisierte Messungen auf Intensivstationen oder durch Roboter, die Wäsche bringen und Geschirr abräumen. Auch Geräte wie der in der Lilienthaler Diakonie eingesetzte Roboter „Navel“, der Menschen anspricht, singt oder Geschichten erzählt, könnten dazu beitragen, dass sich Pflegebedürftige weniger allein fühlen. „KI und Robotik können unterstützende Leistungen erbringen“, sagte Allmendinger, die auch Mitglied des Deutschen Ethikrats ist. Ziel müsse sein, Pflegekräften mehr Zeit für persönliche Zuwendung zu ermöglichen.
Der demografische Wandel mache den Einsatz neuer Technologien dringend nötig, betonte die Soziologin. Der Pflegebedarf werde stark steigen, und auch die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland könne die Lücke nicht schließen. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters helfe zwar, erfahrene Arbeitskräfte länger zu halten, könne das Fachkräfteproblem aber nicht lösen, auch wegen der weiter steigenden Lebenserwartung. Überdies alterten Menschen sehr unterschiedlich - abhängig von Bildung, Umwelt und sozialen Bedingungen. Eine pauschale Anhebung des Renteneintrittsalters sei deshalb nicht sinnvoll.
Allmendinger warnte zugleich vor einem unkritischen Umgang mit KI. Oberstes Prinzip bleibe die Menschenwürde. „Kein Mensch darf zum Objekt eines Algorithmus gemacht werden“, sagte sie. Entscheidungen über Menschen dürften nicht an Maschinen delegiert werden, beispielsweise bei der Hirntoddiagnostik. „Zudem müssen alle Möglichkeiten, Gefahren und auch Nichtmöglichkeiten der KI den Menschen transparent kommuniziert werden.“