Psychologin: Bürgermeister schneller Blitzableiter für Wut und Frust

Psychologin: Bürgermeister schneller Blitzableiter für Wut und Frust

Bremen, Friedenweiler (epd). Bürgermeister und kommunale Führungskräfte werden nach Erfahrungen der Psychologin Mercedes Mende immer öfter vorschnell verurteilt und als Blitzableiter für Wut und Frust missbraucht. „Die Hemmungslosigkeit gegenüber Amtsträgern ist nach meiner Wahrnehmung gestiegen“, sagte die Expertin für Krisen- und Stressbewältigung dem Bremer „Weser-Kurier“ (Samstag). Bürger reagierten schneller aggressiv und wütend, statt erst einmal nachzufragen, was hinter bestimmten Entscheidungen eigentlich stehe.

„Die Bereitschaft sinkt, in den Dialog zu gehen und die Gegenseite zunächst einmal in Ruhe anzuhören“, erläuterte Mende, die seit fast zehn Jahren bundesweit Kommunalpolitiker unter Belastung unterstützt. Sie rät dazu, Strafbares anzuzeigen. „Auch, um ein klares Zeichen zu setzen, dass so etwas nicht akzeptiert wird.“

Einen Ausweg aus der Spirale von Anfeindungen und Polarisierung sieht die Psychologin mit eigener Praxis im Schwarzwald östlich von Freiburg „in einer Politik, die sagt, was sie tut und tut, was sie sagt“. Wenn die Glaubwürdigkeit in politische Entscheidungsträger schwinde, sei das Zündstoff für Anfeindungen: „Denn Stimmigkeit ist ein menschliches Grundbedürfnis.“

Ein wesentlicher Baustein für Betroffene in der Gegenwehr liege in der Fähigkeit, sich abzugrenzen. „Nicht alles an sich ranzulassen, es nicht persönlich zu nehmen.“ Wenn die Belastung zu groß werde, müsse auch geprüft werden, ob das Amt weitergeführt werden solle. Realistisch betrachtet sei die Demokratie vor Ort gefährdet, wenn Amtssessel unbesetzt blieben. „Es liegt an jedem Einzelnen von uns, einen Beitrag zu leisten und einmal darüber nachzudenken, wie wir uns selbst Amtsträgern gegenüber verhalten.“