Morgens an einem sonnigen Spätsommertag auf der Burg Wernfels: Radler satteln vor der Burgklause "Zum Rindsmaul" ihre E-Bikes und stopfen noch die Getränkeflaschen in die Seitentaschen. Derweil dringen aus dem Burggraben Lachen und englische Satzfetzen herauf. Eine Gruppe Schülerinnen aus einem Feriencamp beendet dort gerade ihren spielerischen Fremdsprachenunterricht und steigt danach das Kopfsteinpflaster in den Burghof hinauf.
Wie ein winziges Rothenburg wirken die verwinkelten Sandsteinmauern der Burg Wernfels. Auch David Kogge, der Leiter der Jugendherberge des CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen), fühlte sich in diese Welt versetzt, als er die Stätte zum ersten Mal betrat, erzählt er. Der Wechsel vom CVJM-Gästehaus auf Borkum ins fränkische Seenland vor sechs Jahren fiel dem Theologen mit Schwerpunkt Kirchengeschichte ganz leicht. Und seine drei Söhne lieben die mittelalterliche Burg auch. Denn wer hat als Kind nicht davon geträumt, auf einer alten Burg mit tiefen Brunnen und hohen Türmen ein Abenteuer mit Rittern in Rüstungen und mit Gespenstern zu erleben?
Das können auf der Burg Wernfels (Gemeinde Spalt) nicht nur die Kinder des Herbergs-Leiters, sondern auch tausende Kinder und Jugendliche. Hier können sie von den Zinnen über das fränkische Seenland schauen, dürfen im Rittersaal spielen oder im Burggraben Bogenschießen. 65.000 Übernachtungen, davon viele Schulklassen und kirchliche Jugendgruppen, verzeichnet die Burg jährlich. An 300 Tagen im Jahr ist sie ausgebucht. Seit Jahrzehnten ist die Jugendherberge eine der am besten ausgelasteten in ganz Deutschland, mit Belegzahlen zwischen 80 und 100 Prozent, wie Kogge bestätigt.
Nicht mal die Wucht 120-köpfiger Posaunenchöre kann den dicken Gemäuern etwas anhaben. Und das "Konfi-Castle" des CVJM ist so beliebt, dass bayerische Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer die moderne Freizeit mit "erlebnispädagogischem Jugendprogramm" oft schon einen Tag nach der Ausschreibung ausgebucht haben - Gespensterabend inklusive.
Seit einigen Jahren fährt die Wernfels Erfolge mit dem "Global Castle" ein. Sie sind für Klassen aus den Mittel-, Real- und Berufsschulen gedacht, damit auch diese Schülerinnen und Schüler internationalen Austausch erleben und ihre Schwellenangst vor der fremden Sprache abbauen, erklärt der Burgleiter. "Wir dürfen sehen, wie diese Kinder innerhalb von ein paar Tagen aufblühen und merken, welche Fähigkeiten in ihnen selbst sind", sagt Kogge, "das ist das schönste Geschenk".
Weltweite Luft können über 1.000 Kinder pro Jahr auch deshalb schnuppern, weil viele der 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Burg freiwillige Teamer aus aller Welt sind, wie die 20-jährige Anita aus Indonesien, die an diesem Tag im Service arbeitet. Aber auch aus den Partner-CVJMs in der Ukraine und China kommen viele junge Mitarbeitende.
Für die Teamer und Freiwilligen hat der CVJM Bayern kürzlich im Dorf Wernfels ein Haus gekauft, in dem sie zusammen in einer Wohngemeinschaft leben können. Der burgeigene Erlebnispädagoge Thomas Göttlicher kümmert sich auch um diese jungen Leute. Als fest angestellter Erlebnispädagoge in einer Jugendherberge hat er nach Kogges Informationen Seltenheitswert.
Wohl um 1230 ist die Burg Wernfels im heutigen Grundriss erbaut worden. Einmal diente sie als Sitz des bischöflichen Pflegamts, dann wieder war sie Schutz der Handelsreisenden auf den Wegen von Italien oder Spanien nach Nürnberg. Noch vor dem 16. Jahrhundert soll von hier Raubritter Hans Thomas die reichen Leute überfallen haben. Nach der Säkularisation drohte die Burg zu zerfallen, bis ein Münchner Schlachtenmaler namens Louis Braun sich der Anlage annahm. 1925 schließlich legte der CVJM-Landesverband Bayern 105.000 Goldmark für ihre neue "Jugendburg" auf den Tisch. In vielen freiwilligen Arbeitsstunden wurden die Gebäude saniert. Mit Ausnahme von sechs Jahren, während 1939 bis 1945, als die Nationalsozialisten die Burg als Lager für ausgewiesene Slowenen nutzten, war sie immer in der Hand des CVJM.
In einer alten Burg, die in modernen Zeiten bestehen will, hören Sanierung und Modernisierung nie auf - allerdings steht denen manchmal der Denkmalschutz im Weg. Daher nennt es Kogge ein "großes Wunder", was derzeit gebaut werden darf. Der Hartplatz wird als Freilufthalle überdacht, damit die Jugendlichen im Sommer auch im Schatten Sport treiben können, und dieses fast 1.000 Quadratmeter große Dach wird anschließend zur Stromgewinnung genutzt. Es gehört auch zur Mission des CVJM, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.
Der christliche Träger unterhält auf der Wernfels und seit einigen Jahren zusammen mit der Jugendherberge Gunzenhausen eine "normale" Übernachtungsstätte, aber der christliche Aspekt steckt in den Aktivitäten immer drin. "Ein Großteil der Menschen, die hierherkommen, wird merken, dass es im Hintergrund einen guten Geist gibt", sagt David Kogge. "Am Lagerfeuer sehen wir in die Nacht und entdecken Wichtiges für den Heimat- und Sachunterricht, aber als Christen auch die Schöpfung."
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Burg Wernfels als Jugendherberge feiert der CVJ am 27. und 28. September ein Fest mit einem großen Burgmarkt, Musikprogramm und Gottesdienst. Zu den Ehrengästen zählen der bayerische Innenminister Joachim Hermann, Landesbischof Christian Kopp und Vertreter des chinesischen Partner-CVJM. www.burg-wernfels.de www.cvjm-bayern.de