Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat an die Bundesregierung appelliert, bei der Unterstützung Israels nicht nachzulassen.
Beim Neujahrsempfang anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Zentralrats sagte Schuster am Mittwochabend in Berlin an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gerichtet, er solle sich vom Weg der Freundschaft mit dem Staat Israel nicht abbringen lassen, "weder von anderen europäischen Ländern noch von einzelnen Parlamentariern in unserem Bundestag". Merz, der die Festrede zum Jubiläum hielt, bekannte sich zur "einzigartigen und kostbaren Freundschaft" zu Israel und versprach, weiter daran zu arbeiten.
Auch wenn Regierungen unterschiedliche Auffassungen vertreten würden, "sind wir in Deutschland in der Pflicht, ohne Unterlass um eine gemeinsame Sprache zu ringen", sagte Merz. Dissens in der Sache sei keine Illoyalität an dieser Freundschaft, sagte er. In seiner Rede beklagte Merz zudem, Israelkritik und "krudeste Täter-Opfer-Umkehr" seien immer häufiger ein Vorwand, "unter dem das Gift des Antisemitismus verbreitet wird".
Kritik an der Politik der israelischen Regierung müsse möglich, "sie kann sogar nötig sein", sagte Merz, der das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza selbst kritisiert hatte. "Aber unser Land nimmt an der eigenen Seele Schaden, wenn diese Kritik zum Vorwand für Judenhass wird", sagte Merz und unterstrich: "Das deutsche Bekenntnis zur Existenz und zur Sicherheit des Staates Israel ist unverhandelbarer Bestandteil der normativen Fundamente unseres Landes."
Zu den am Mittwoch von der EU-Kommission vorgeschlagenen Sanktionen gegen Israel wegen des Vorgehens in Gaza äußerte Merz sich nicht. Die Bundesregierung hat bislang zurückhaltend auf solche Vorschläge reagiert.
Schuster hatte zuvor seine Sorge über das deutsch-israelische Verhältnis zum Ausdruck gebracht. In den vergangenen Monaten habe man immer wieder gehört, "dass Freunde zueinander ehrlich sein müssten", sagte Schuster vor dem Hintergrund entsprechender Äußerungen von Merz, mit denen dieser das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza kritisiert hatte.
"Nur sollten wir vor lauter Ehrlichkeit aber nicht die Freundschaft und gemeinsamen Werte aus den Augen verlieren", sagte Schuster. Er forderte: "Deutschland muss klar an der Seite Israels stehen." Dies gelte unabhängig von der Regierung in Israel. Der Druck müsse auf die Hamas gerichtet werden.
Der im Juli 1950, fünf Jahre nach dem Ende der Verfolgung von Juden durch die Nationalsozialisten, gegründete Zentralrat ist die Dachorganisation von 105 jüdischen Gemeinden mit rund 100.000 Mitgliedern in Deutschland. Merz bezeichnete die damalige Gründung als "ungeheuer bemerkenswert".
Der Zentralrat sei zu einer "Lebensader der demokratischen Kultur" geworden, sagte der Kanzler. "Die Bundesrepublik wäre für immer entwurzelt gewesen ohne jüdisches Leben, ohne jüdische Kultur in unserem Land", sagte er, konstatierte aber zugleich: "Antisemitismus war nie weg aus Deutschland." Besonders seit dem Angriff der Hamas auf Israel sei er "lauter, offener, unverschämter, gewaltsamer" geworden. Das beschäme ihn.
Auch Schuster beklagte Antisemitismus, der sich von den extremen Rändern in die Mitte der Gesellschaft vorgekämpft habe. "Es wird ungemütlicher für Juden", sagte er. Antisemitismus richte sich gegen Juden, bedrohe aber stets die ganze Gesellschaft. Wenn Juden bedroht seien, stehe es um die Gesellschaft und die Demokratie nicht gut, mahnte er.
Zum Empfang anlässlich des jüdischen Neujahrsfests Rosch Haschana waren zahlreiche prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft gekommen, darunter neben Merz und Außenminister Johann Wadephul (CDU) noch andere Mitglieder der Bundesregierung, Ministerpräsidenten, die Botschafter vieler Länder sowie Vertreter und Vertreterinnen der Religionsgemeinschaften. Mehr als 1.000 Gäste feierten mit dem Zentralrat das Jubiläum.