Genf, Brüssel (epd). Israel verübt laut einer UN-Untersuchungskommission im Gaza-Streifen Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern. Die Kommission forderte Israel und alle Staaten am Dienstag in Genf auf, den Völkermord zu beenden und die Verantwortlichen zu bestrafen. Israels Regierung wies die Anschuldigungen umgehend als gefälscht zurück. Angesichts der israelischen Offensive auf Gaza-Stadt warnte indes die EU-Kommission abermals vor einer Verschärfung der humanitären Katastrophe.
Die UN-Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete, einschließlich Ostjerusalem, und Israel veröffentlichte einen Bericht, der den Zeitraum seit Beginn des Nahost-Krieges vor knapp zwei Jahren umfasst. Darin kommen die Ermittler unter Vorsitz der südafrikanischen Juristin Navi Pillay zu dem Schluss, dass die israelischen Behörden und Sicherheitskräfte vier der fünf in der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Genozids definierten Völkermordhandlungen begangen haben.
Konkret handele es sich um Tötung, Verursachung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden, vorsätzliche Schaffung von Lebensbedingungen, die auf die vollständige oder teilweise Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung abzielten, und schließlich die Verhängung von Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten, hieß es. Aus Erklärungen israelischer ziviler und militärischer Behörden sowie aus dem Verhaltensmuster der Sicherheitskräfte gehe hervor, dass die „Völkermordhandlungen mit der Absicht begangen wurden, die Palästinenser im Gaza-Streifen als Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten“.
Israel reagierte mit scharfer Kritik auf den Bericht der Kommission, die im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates arbeitet. Er beruhe auf Unwahrheiten der Hamas, die von anderen wiederholt und aufgegriffen worden seien, erklärte das israelische Außenministerium auf der Internetplattform X.
Die palästinensische Terrorgruppe Hamas hatte im Oktober 2023 aus dem Gaza-Streifen heraus Israel überfallen und Geiseln verschleppt. Israel reagierte mit einem massiven Bombardement des Gaza-Streifens und einer Bodenoffensive. Zugleich riegelte Israel den Küstenstreifen ab und verhinderte somit laut UN die ausreichende Zufuhr von Lebensmitteln und anderen humanitären Gütern für die etwa zwei Millionen Bewohnerinnen und Bewohner. In einem Bezirk des Gaza-Streifens herrscht laut einer internationalen Untersuchung eine Hungersnot.
International stößt das militärische Vorgehen Israels zunehmend auf Kritik, auch seitens westlicher Verbündeter. Die EU-Kommission warnte Israel vor der Ausweitung der Militäroperation in Gaza-Stadt. Das würde die humanitäre Katastrophe verschärfen und auch das Leben der Geiseln gefährden, sagte ein Sprecher in Brüssel. Die Kommission will am Mittwoch Strafmaßnahmen gegen Israel vorschlagen, um die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unter Druck zu setzen, ihren Kurs im Gaza-Krieg zu ändern. Vorgesehen sind nach Angaben der Behörde Sanktionen gegen gewalttätige Siedler und extremistische Minister sowie eine Aussetzung des handelsbezogenen Teils des EU-Israel-Assoziierungsabkommens. Ob die EU-Mitgliedstaaten die Schritte mittragen, ist offen.
Angesichts der Offensive verlassen auch die letzten noch verbliebenen Mitarbeiter der Welthungerhilfe Gaza-Stadt. Die Hilfsorganisation verurteilte die Evakuierungsaufforderungen der israelischen Armee und forderte einen sofortigen Waffenstillstand.