Stolpersteine: Warum Erfurt so lange brauchte

Ein Stolperstein wird eingelegt
epd-bild/Paul-Philipp Braun
Der erste Stolperstein erinnert an Karl Klaar, der in der Stadt gewohnt und ein Geschäft betrieben hat. Der jüdische Kaufmann war ab 1930 in mehrere Heilanstalten eingewiesen worden und wurde am 28. November 1940 innerhalb der "Euthanasie"-Mordaktion T4 der Nazis an behinderten Menschen in Bernburg ermordet.
Spätes Stolpern
Stolpersteine: Warum Erfurt so lange brauchte
Erfurt verlegt erstmals Stolpersteine – ein Kurswechsel nach Jahren des Widerstands. Am Donnerstag erinnern 15 neue Steine an Opfer der NS-Diktatur. Auch Nachfahren werden erwartet, um ihre ermordeten Angehörigen zu ehren.

Mit der geplanten Verlegung von 15 Stolpersteinen gibt Erfurt seine ablehnende Haltung gegen diese Form des Gedenkens an NS-Opfer endgültig auf. Dieser Schritt sei richtig, sagte der Beauftragte des Freistaats für jüdisches Leben in Thüringen, Michael Panse, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gerade in der aktuell schwierigen Situation, in der Jüdinnen und Juden wegen der Politik der israelischen Regierung massiven Angriffen ausgesetzt seien, dürfe das Gedenken an die Opfer des Holocaust nicht wegfallen. Die Stolpersteine sollen am Donnerstag (18. September) im Stadtgebiet verlegt werden.

Panse sagte, es gebe noch viele Erfurter Verfolgte der NS-Diktatur, derer gedacht werden müsse. Er könne nachvollziehen, dass sich der Stadtrat vor 15 Jahren gegen die Verlegung der Stolpersteine ausgesprochen habe, weil das Einlassen der Gedenkplatten in Bürgersteige das Risiko berge, die Opfer sinnbildlich mit Füßen zu treten. Inzwischen jedoch habe sich diese Form des Gedenkens bundesweit durchgesetzt und werde als ehrendes Andenken an die Toten verstanden.

Erfurt hat lange Zeit auf die Verlegung von Stolpersteinen verzichtet. Zwischen 2009 und 2013 wurden stattdessen "DenkNadeln" errichtet, um an ermordete jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu erinnern. Diese Variante habe sich jedoch als vielfach unpraktikabel erwiesen, sagte Panse: "Die Denknadeln können wegen ihrer Größe nur dort aufgestellt werden, wo genug Platz im Straßenraum vorhanden ist."

Der Beauftragte sagte weiter, dass sich gerade die Nachfahren der jüdischen Opfer gemeinsam mit einer Initiative aus der Zivilgesellschaft für die Verlegung von Erfurter Stolpersteinen starkgemacht hätten. So würden am Donnerstag Nachfahren erwartet, um vor Ort ihrer ermordeten Angehörigen zu gedenken. Das Begleitprogramm an den jeweiligen Verlegeorten werde von verschiedenen Patinnen und Paten der Stolpersteine aus der Stadtgesellschaft gestaltet.

Ein bislang einzige Stolperstein in Thüringens Landeshauptstadt wurde im Mai 2024 für den jüdischen Kaufmann Karl Klaar (1890-1940) währende des 103. Deutschen Katholikentags in der Stadt gesetzt. Der Unternehmer war 1936 von den Nationalsozialisten enteignet und später in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet worden. Panse kündigte weitere Stolperstein-Verlegungen an.