Berlin (epd). Sozialverbände fordern von der Politik in Bund und Ländern entschlossenere Schritte gegen die zunehmende Wohnungsnot. „Wohnen ist ein Menschenrecht und kein Luxus. Wir brauchen eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik, die für bezahlbaren Wohnraum sorgt und die Menschen schützt, die am stärksten unter der Krise leiden“, sagte Susanne Hahmann, die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W), am Tag der wohnungslosen Menschen in Berlin. Der Paritätische sprach sich für ein Sofortprogramm gegen den Verlust der eigenen vier Wände aus.
Die Wohnungsnot sei eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, sagte Hahmann. Wohnen sei ein Menschenrecht, doch für mehr als 600.000 Menschen in Deutschland bleibe es unerfüllt. Die Vorsitzende warb für einen Fünf-Punkte-Plan für bedarfsgerechten sozialen Wohnraum, der auf Instrumente wie die Mietpreisbremse und den Abbau von Stigmatisierung sowie präventive Hilfen und menschenwürdige Unterbringung setzt.
Der Paritätische Gesamtverband forderte ein Sofortprogramm gegen den Verlust der eigenen vier Wände. Hauptgeschäftsführer Joachim Rock sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk zum offiziellen Ziel der Politik, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden: „Wir hoffen das Beste, aber es muss ein Sofortprogramm her.“
Seit Jahren sinke die Zahl der Sozialwohnungen; aktuell seien es noch eine Million bundesweit. „Das ist gerade mal die Hälfte des Bedarfs“, erläuterte Rock. Wohnungsverlust sei ein Problem „bis in die Mitte der Gesellschaft und das zeigt, dass das Instrumentarium, was wir politisch bedienen, um Wohnungslosigkeit und Wohnarmut zu bekämpfen, längst nicht ausreicht“.
Das Sofortprogramm müsse Elemente im Mietrecht ebenso umfassen wie verstärkte Investitionen, „gerade auch durch die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus, der zusätzliche Fördermittel braucht, damit Wohnen zu vernünftigen Preisen angeboten werden kann.“ Betroffen sei eine steigende Zahl von Menschen, wobei offizielle Statistiken nur einen kleinen Teil abbildeten: „Wir haben eine hohe Dunkelziffer.“
Der Chef des Wohlfahrtsverbandes verwies auch auf Menschen, die zwar nicht von Wohnungslosigkeit betroffen sind, aber Schwierigkeiten haben, ihre Miete zu bezahlen. „Das sind inzwischen deutlich über ein Fünftel der Bevölkerung“, unterstrich Rock und mahnte an, dass auch dieser Bevölkerungsgruppe geholfen werden müsse.
Nach Angaben des Kinderschutzbundes leben derzeit 2.000 Minderjährige vollständig auf der Straße. Fast jeder Dritte von Wohnungslosigkeit betroffene Mensch sei unter 18 Jahre alt, heißt es in einer Mitteilung vom Donnerstag. „Kinder brauchen ein Zuhause, um gesund aufzuwachsen, Freundschaften zu pflegen und in der Schule anzukommen. Ein Leben in Notunterkünften bedeutet Unsicherheit, Stigmatisierung und fehlende Teilhabe“, sagte Daniel Grein, der Bundesgeschäftsführer des Kinderschutzbundes: „Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass so viele Kinder und Jugendliche ohne feste Wohnung aufwachsen.“
Für die Wohnungslosenstiftung ist die Antwort auf Wohnungslosigkeit immer eine eigene bezahlbare Wohnung oder eine selbstbestimmte alternative Wohnform. „Deshalb fordern wir einen sozialen Wohnungsbau, insbesondere für gemeinnützige, soziale, gemeinschaftliche Bauvorhaben, zum Beispiel Baugenossenschaften und Wohnungssyndikate.“ Wohnungslose Menschen bräuchten Priorität auf dem Wohnungsmarkt: „Statt extrem teure, menschenunwürdige Massennotunterkünfte und Wohnheime, bei denen Menschen oft lebenslang wohnungslos bleiben, benötigen wir günstige Wohnungen“, heißt es in einer Mitteilung zum Aktionstag.