Bundesinstitut sieht neue Arbeitskräfte bei Frauen und Zuwanderern

Bundesinstitut sieht neue Arbeitskräfte bei Frauen und Zuwanderern
Mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand sinkt die Zahl der Erwerbstätigen deutlich. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zeigt auf, wo mehr Arbeitskräfte gewonnen werden können.

Wiesbaden (epd). Die Zahl der Erwerbspersonen in Deutschland wird nach Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) von derzeit 51 Millionen auf 48 Millionen im Jahr 2040 sinken und danach noch weiter. Ursache ist der Geburtenrückgang seit den 70er Jahren. Einen Ausgleich für den Arbeitsmarkt könne die Hebung von ungenutzten Erwerbspotenzialen bei Frauen in Westdeutschland, Müttern und Zuwanderern schaffen, sagte die BiB-Direktorin Katharina Spieß am Donnerstag in Wiesbaden.

Entlastung beim Fachkräftemangel könne eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen bringen, erläuterte Spieß. In Westdeutschland arbeiteten Frauen im Durchschnitt drei Stunden die Woche weniger als in Ostdeutschland. Mütter von minderjährigen Kindern wünschten sich eine um fünf bis sechs Stunden die Woche höhere Arbeitszeit, als sie mit rund 20 bis 30 Stunden die Woche tatsächlich arbeiteten, ergänzte Martin Bujard vom BiB. Durch entsprechende Unterstützung wie ausreichenden Wohnraum, verlässliche Kita- und Schulbetreuung und berufliche Entlastung während der Kleinkindphase könnte bei Müttern ein Erwerbsvolumen gehoben werden.

Diese Rahmenbedingungen könnten auch helfen, dass Eltern mehr Kinderwünsche verwirklichten, sagte Bujard. Statistisch wünsche sich eine Frau 1,8 Kinder, tatsächlich geboren würden 1,3 Kinder je Frau in Deutschland. Auf den Einfluss der Kita-Betreuung wies Sophia Schmitz vom BiB hin. Jede fünfte Familie mit einem Kind unter drei Jahren erhalte trotz Wunsch keinen Kitaplatz. Von den Müttern ohne Kitaplatz seien 58 Prozent nicht erwerbstätig. Bei einer Bedarfsdeckung durch ausreichende Kita-Plätze könnte die Erwerbstätigenquote erhöht werden.

Die Erwerbstätigkeit sei insbesondere bei Müttern mit Zuwanderungsgeschichte niedrig. Dabei machten sie ein Drittel der Mütter mit minderjährigen Kindern in Deutschland aus. Von ihnen seien nur 55,6 Prozent erwerbstätig, von den deutschen Müttern 84,4 Prozent. Eine schnellere Berufsanerkennung könnte hier die Erwerbstätigenquote erhöhen, empfahl Schmitz.

Von den 16 Millionen Zuwanderern in Deutschland seien die Flüchtlinge aus der Ukraine die größte Gruppe mit kleinen Kindern, erklärte Leonore Sauer vom BiB. Ihre Erwerbsbeteiligung sei von anfangs 16 Prozent im Jahr 2022 auf 50 Prozent in diesem Jahr gestiegen. Dennoch liege sie noch unter dem Durchschnitt. Die Hälfte der Ukrainerinnen und Ukrainer habe im Heimatland in Berufen gearbeitet, bei denen in Deutschland ein Fachkräftemangel herrsche, wie in Pflege- und Gesundheitsberufen oder im Handwerk. In Deutschland arbeiteten nur 43 Prozent von ihnen in diesen Engpassberufen. Hier sei ein Fachkräfte-Potenzial noch nicht ausgeschöpft.

Auf den Einfluss der geschätzten Lebensdauer auf die Erwerbstätigkeit machte Andreas Mergenthaler vom BiB aufmerksam. Die durchschnittliche Lebensdauer sei in der Vergangenheit ständig gestiegen, sie betrage inzwischen 83,2 Jahre bei Frauen und 78,5 Jahre bei Männern. Frauen unterschätzten anders als Männer jedoch ihre Lebensdauer. Eine realistische Einschätzung könnte Anlass zu einem späteren Eintritt in den Ruhestand geben. Bei einer Berücksichtigung aller Faktoren einschließlich einer Zuwanderung von 300.000 Menschen im Jahr mit ähnlicher Qualifikation wie die Deutschen könne ein Rückgang des Erwerbsvolumens bis 2035 ausgeglichen werden, resümierte Direktorin Spieß.