Düsseldorf (epd). Im Prozess um den mutmaßlich islamistisch motivierten Messerangriff von Solingen mit drei Toten und mehreren Verletzten hat die Bundesanwaltschaft für den Angeklagten Issa al H. die Höchststrafe gefordert. Die Anklage beantragte am Mittwoch in ihrem Plädoyer vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf zudem anschließende Sicherungsverwahrung und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Eine frühzeitige Entlassung des aus Syrien stammenden Angeklagten nach einer möglichen Verurteilung zu lebenslanger Haftstrafe wäre dann nicht mehr möglich.
Die Täter habe aus islamistischer Absicht gehandelt und bei seiner Tat mit Tötungsabsicht wahllos auf die Besucher des Stadtfestes eingestochen, um als Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) eine möglichst große Zahl von Menschen zu töten, erklärte die Bundesanwaltschaft. Dabei sei der Angeklagte mit „erheblicher krimineller Energie“ sowie planvoll und konspirativ vorgegangen, sagte Staatsanwältin Antje Groenewald in ihrem gut 70 Minuten dauernden Plädoyer. Zudem habe er die Tat vorab angekündigt sowie einen Treueschwur auf den Kalifen des IS geleistet und per Internet-Messenger versandt.
Issa al H., der im Dezember 2022 als Flüchtling nach Deutschland kam und zunächst als Aslysuchender in Bochum registriert wurde, radikalisierte sich nach Groenewalds Worten bereits ab Dezember 2019 im Internet. Nach seiner Ankunft in Deutschland und spätestens ab dem Sommer 2024 habe sich der Angeklagte dann weiter radikalisiert und sich entschlossen, „selbst am weltweiten Dschihad teilzunehmen“. Er habe die Tat „eigeninitiativ“ geplant und sich im Internet drei Kontaktpersonen gesucht, die ihn in seiner radikalislamischen Einstellung bestärkten und bei der Tat ideologisch unterstützten. Für den Angriff habe er sich ein Tranchiermesser besorgt und den späteren Tatort - den Fronhof in der Solinger Innenstadt - ausgekundschaftet.
Bei dem Messerangriff am 23. August 2024 stach der Angeklagte dann gezielt und zumeist von hinten kommend vor allem auf den Hals der Opfer ein. Die Angriffe erfolgten nach Darstellung der Anklage in knapp einer Minute und ohne dass sich die Opfer wehren konnten. Lediglich der zuletzt angegriffene Geschädigte habe den Angreifer mit Tritten etwas auf Distanz halten können, er erlitt dennoch mehrere Stichverletzungen.
Die Bundesanwaltschaft forderte für Issa al H. eine Verurteilung unter anderem wegen dreifachen Mordes, zehnfachen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der Mitgliedschaft in der Terrororganisation IS. Während der Tat habe er mehrmals „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) gerufen. Der 27-Jährige habe aus niedrigen Beweggründen und in Heimtücke auf die feiernden Menschen eingestochen, weil er als Anhänger des IS in ihnen „Repräsentanten der westlichen Gesellschaft“ gesehen habe.
An den feiernden Menschen wollte er laut Bundesanwaltschaft Vergeltung für militärische Aktionen westlicher Staaten üben. Angaben des Angeklagten, er habe die Tat in einer Art „Übersprungshandlung“ verübt, weil er sich für die getöteten Kinder im Gaza-Streifen habe rächen wollten, schenkten die Ankläger keinen Glauben. Issa al H. habe in der Verhandlung keine Reue gezeigt und sich von seinen Taten nicht distanziert, betonte die Staatsanwältin. Sein Geständnis, das er am ersten Verhandlungstag ablegte, sei „rudimentär“.
Der Attentäter tötete laut Anklage beim „Festival der Vielfalt“ zum 650-jährigen Bestehen der Stadt Solingen eine 56-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren. Acht Menschen wurden durch Messerstiche verletzt.
Die drei Vertreter der Nebenklage schlossen sich in ihren Plädoyers den Ausführungen der Bundesanwaltschaft weitgehend an. Sie fordern für ihre Mandanten ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 bis 200.000 Euro. Am kommenden Dienstag folgen die Plädoyers der beiden Verteidiger, am Tag darauf soll das Urteil verkündet werden. Nach dem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen ist der Angeklagte voll schuldfähig.