Berlin (epd). Der Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner von der Uni Bielefeld hat eine Verdoppelung der Arzneizuzahlungen ins Gespräch gebracht. Das sei eine inflationsbereinigte Anpassung, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, kritisierte den Vorschlag als unsolidarisch. Auch eine Arbeitgeber-Forderung nach Einführung einer Arztgebühr lehnte sie ab.
Greiner hatte empfohlen, zur finanziellen Entlastung der Krankenkasse, die Zuzahlungen für verschreibungspflichtige Medikamente auf „10 Euro pro Medikament, maximal 20 Euro“ anzuheben. Aktuell betrage die Zuzahlung 5 bis 10 Euro. Die Höhe der von den Patientinnen und Patienten aufzubringenden Zuzahlung sei seit 20 Jahren stabil, sagte Greiner.
Der Gesundheitsökonom rechnet damit, dass sich die Einnahmen der Krankenkassen aus Zuzahlungen, die derzeit rund 2,5 Milliarden Euro betrügen, dadurch in etwa verdoppeln würden. Gleichzeitig würde aber die Zahl der Zuzahlungsbefreiten steigen. Menschen mit niedrigem Einkommen „müssten wie bisher nur ein Prozent ihres Bruttoeinkommens für Selbstbeteiligungen zahlen“. Bei einer Rente von 1.500 Euro wäre der Betrag auf 15 Euro begrenzt, „darüber hinaus übernimmt dann wieder die Krankenkasse“, erläuterte Greiner. Allerdings erwartet der Experte tendenziell eine sinkende Zahl von Medikamenten, sollte sein Vorschlag umgesetzt werden.
Bentele kritisierte, dass Menschen, die fünf Arzneimittel monatlich einnehmen müssten, dann bis zu 100 Euro im Monat bezahlen müssten. „Für viele kranke Menschen ist das eine untragbare finanzielle Belastung, besonders für die ältere Generation und für chronisch Erkrankte“, erklärte sie.
Die VdK-Präsidentin wandte sich auch gegen die Forderung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), eine Gebühr für jeden Arztkontakt zu erheben. Wer krank sei, solle finanziell bestraft werden, sagte Bentele. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter hatte dem digitalen Nachrichtenmagazin „Politico“ gesagt, eine Kontaktgebühr für jeden Arztbesuch könne die Patientensteuerung verbessern.
Von 2004 bis Ende 2012 hatte es bereits eine Praxisgebühr in Deutschland gegeben. In dieser Zeit mussten die Versicherten für ärztliche Behandlungen zehn Euro pro Quartal zahlen. Bereits am Donnerstag hatte der Hausärzte-Verband den Vorschlag Kampeters als „nicht nur unsozial, sondern auch komplett undurchdacht“ abgelehnt.
Bentele unterstrich, die gesetzliche Krankenversicherung sei eine solidarische Versicherung. „Solidarität bedeutet, dass man füreinander eintritt, und zwar insbesondere dann, wenn jemand krank oder auf Hilfe angewiesen ist“, erklärte sie.