Solingen, Düsseldorf (epd). Auch ein Jahr nach dem terroristischen Anschlag auf das Stadtfest in Solingen mit drei Toten haben viele Bürgerinnen und Bürger die grausame Tat noch nicht verwunden. Jeder dritte Stadtbewohner fühlt sich nach einer am Freitag veröffentlichten WDR-Umfrage nicht sicher, in den ersten Monaten nach der Tat sagten dies sogar rund 60 Prozent. Am Samstag wird mit einer Trauerfeier der Opfer gedacht. Die schwarz-grüne NRW-Landesregierung kündigte an, sie wolle neues Vertrauen gewinnen. Die Oppositionsparteien SPD und FDP warfen ihr Behinderung der politischen Aufklärung vor.
Der islamistisch motivierte Anschlag vom 23. August 2024, bei dem drei Menschen getötet und acht durch Stiche verletzt wurden, veränderte der Umfrage zufolge für einen Teil der Solinger Bevölkerung den Blick auf die Migrationspolitik: Drei Viertel (73 Prozent) gaben an, dass die Tat ihre Haltung zur Flüchtlingszuwanderung nicht verändert habe - entweder weil sie bereits zuvor kritisch positioniert waren (31 Prozent) oder weil sie an ihrer positiven Haltung zur Zuwanderung weiter festhalten (42 Prozent). Knapp jeder Vierte (23 Prozent) entwickelte seit dem Messerangriff eine kritischere Haltung zur Flüchtlingsaufnahme.
Zugleich bewerten die Menschen in Solingen das Miteinander von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in der Stadt eher positiv, in der nach offiziellen Angaben Menschen aus 142 Nationen leben. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) sieht das Miteinander als gut oder sehr gut an. In Politik, Behörden und Polizei haben laut Umfrage 55 Prozent der Solinger wenig oder kein Vertrauen. Für die repräsentative Studie wurden vom 30. Juli bis zum 11. August 1.001 deutschsprachige Solinger ab 18 Jahren telefonisch befragt.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst erklärte in Düsseldorf, mit dem Anschlag auf das Stadtfest in Solingen habe der mutmaßliche Täter Issa al H. einen Keil in die Gesellschaft treiben wollen. „Doch unser Land lässt sich nicht spalten“, sagte er. Hass, Hetze und Terror würden keinen Sieg erringen: „Nordrhein-Westfalen ist stark durch Zusammenhalt und Menschlichkeit.“ Als Reaktion auf den Anschlag habe die Landesregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket zu Sicherheit, Migration und Prävention beschlossen.
Der SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Jochen Ott, kritisierte, noch immer sei die Frage nicht beantwortet, ob der Anschlag hätte verhindert werden können. CDU und Grüne hätten die Aufklärung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss blockiert, „um mögliche Fehler zu vertuschen oder die schlechte Kommunikation der Landesregierung zu kaschieren“.
Die Obfrau der SPD-Fraktion im Ausschuss, Lisa Kapteinat, rügte, bislang habe kein einziges Mitglied der Landesregierung dem Ausschuss Rede und Antwort gestanden. FDP-Fraktionschef Henning Höne sieht „schwere Schatten auf das Krisenmanagement der Landesregierung“ und beklagt eine „Intransparenz um möglicherweise gelöschte Chats“.
Der Bundesopferbeauftragte Roland Weber erklärte zum Jahrestag, es sei „unser aller Pflicht, Haltung zu zeigen, unsere vielfältige Gesellschaft zu schützen und uns Hass und Gewalt entschlossen entgegenzustellen“.
Bei dem islamistisch motivierten Messerangriff vor einem Jahr hatte ein Asylbewerber aus Syrien gezielt auf Besucher des Stadtfestes eingestochen. Drei Menschen starben, acht wurden durch Stiche verletzt. Die Tat löste eine intensive Debatte über Flüchtlingspolitik, Migration und Asylverfahren aus.
Bei der Gedenkveranstaltung zum ersten Jahrestag der Tat am Samstag sollen Wüst und der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) sprechen. Für 21.37 Uhr - den Zeitpunkt des Anschlags - ist eine Gedenkminute am Ort des Anschlags auf dem Solinger Fronhof geplant, am Sonntagmorgen findet ein evangelischer Gottesdienst zum Gedenken statt.