Chefarzt scheitert mit Klage gegen Abtreibungsverbot vor Gericht

Chefarzt scheitert mit Klage gegen Abtreibungsverbot vor Gericht
Ein christliches Krankenhaus darf seinem Chef der Gynäkologie medizinisch indizierte Abtreibungen verbieten, entschied das Arbeitsgericht Hamm. Der Mediziner will das nicht hinnehmen und kündigt Berufung an.

Lippstadt (epd). Das Klinikum Lippstadt darf nach einer bundesweit beachteten Gerichtsentscheidung dem Chefarzt der Gynäkologie Abtreibungen untersagen. Das Arbeitsgericht Hamm wies am Freitag eine Klage des Gynäkologen Joachim Volz gegen seinen Arbeitgeber ab. (AZ: 2CA 182/24). Volz, der zur Verhandlung in Lippstadt von zahlreichen Demonstranten unterstützt wurde, kündigte Berufung an. Kritik kommt von den Grünen. Der Medizinrechtler Martin Rehborn verwies hingegen auf die Sonderrechte der Kirche.

Der Gynäkologie Volz richtete sich mit seiner Klage gegen zwei Weisungen des „Klinikums Lippstadt - Christliches Krankenhaus“, die ihm medizinisch induzierte Schwangerschaftsabbrüche sowohl in der Klinik als auch in seiner Privatpraxis untersagen. Beides ist nach Auffassung des Arbeitsgerichts Hamm zulässig. Das beklagte Krankenhaus sei berechtigt gewesen, im Rahmen des zustehenden Direktionsrechts diese Vorgaben zu machen, erklärte das Gericht.

Hintergrund ist die Fusion des evangelischen Krankenhauses in Lippstadt mit dem katholischen Dreifaltigkeits-Hospital und dem Marien-Hospital in Erwitte. Seit März firmieren die Kliniken gemeinsam als „Klinikum Lippstadt - Christliches Krankenhaus“. Der Gesellschaftsvertrag untersagt laut Erzbistum Paderborn Schwangerschaftsabbrüche und assistierten Suizid. Ausgenommen sind Abbrüche in Notfällen, wenn sonst Lebensgefahr für die Mutter bestünde.

Volz äußerte sich enttäuscht über die Gerichtsentscheidung. „Wenn unser Staat möchte, dass das Urteil so gilt, müssen wir den politischen Weg gehen, um das Recht zu ändern“, sagte der Mediziner. Das zeigten auch über 230.000 Menschen, die seine Petition unterschrieben hätten. „Wir haben hier heute für eine Sache verhandelt, die nicht nur für mich wichtig ist, sondern für das ganze Land“, sagte der Chefarzt. Die Würde des ungeborenen Lebens sei untrennbar von der Würde der Frau, die dieses Leben trage.

Das Erzbistum Paderborn hob hervor, dass Schwangerschaftsabbrüche auch an katholisch mitgetragenen Kliniken möglich seien, wenn das Leben der Mutter oder des ungeborenen Kindes akut bedroht sei. Auch gebe es sowohl im katholischen wie im evangelischen Krankenhaus jeweils eine Ethikkommission. Die fusionierte Klinik sei aktuell damit befasst, die beiden Gremien zusammenzuführen und neu aufzustellen. „Unsere ethische Haltung ist keine Einmischung in persönliche Entscheidungen, sondern Ausdruck eines Menschenbildes, das jedem Leben, von der Empfängnis an, Würde und Schutz zuspricht“, erklärte das Erzbistum.

Der Bonner Ethiker und Theologe Hartmut Kreß forderte eine breite Debatte über das kirchliche Selbstverwaltungsrecht. Dieses werde „zu extensiv ausgelegt und in Anspruch genommen“, sagte Kreß dem Evangelischen Pressedienst (epd). Selbst wenn das kirchliche Selbstverwaltungsrecht verfassungsrechtlich garantiert sei, gelte es laut Grundgesetz „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Auch katholisch getragene Kliniken müssten sich nach den Normen des Gesetzgebers richten.

Der Dortmunder Rechtswissenschaftler Martin Rehborn sagte dem epd: „Die Rechte der Kirche bewegen sich nicht immer automatisch im Rahmen des Grundgesetzes.“ Die katholischen und evangelischen Kirchen hätten bestimmte Sonderrechte: Sie seien sogenannte Tendenzbetriebe. Mit Blick auf Abtreibungen bedeute das, dass eine Kirche nicht verpflichtet sei, Schwangerschaftsabbrüche in ihren Krankenhäusern, etwa bei einer „sozialen Indiaktion“ zuzulassen. Eine medizinische Notwendigkeit bestehe jedoch sicher, wenn das Leben der Mutter gefährdet sei.

Die Grünen-Sprecherin für Frauenpolitik, Ulle Schauws, erklärte, es könne nicht sein, „dass es ein überholtes katholisches Arbeitsrecht mit Sonderbefugnissen in unserem Land gibt, statt einer flächendeckenden guten, medizinischen Behandlung von Schwangeren“.

Die Klage wurde am Freitag in den Räumen des Amtsgerichts Lippstadt verhandelt. Vor der Gerichtsverhandlung demonstrierten nach Angaben von Volz rund 2.000 Unterstützer für das Anliegen des Arztes. Eine Online-Petition, die Volz gestartet hatte, fand bislang über 230.000 Unterstützer.