Hannover, Berlin (epd). Der jüdische Verbandsvorsitzende Michael Fürst aus Hannover hat mit Unverständnis auf die Kritik des Auswärtigen Amtes an der Hilfsinitiative deutscher Städte für Kinder aus dem Gaza-Streifen reagiert. Offensichtlich wolle das Auswärtige Amt diesen Kindern nicht helfen, sagte Fürst dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. „Dann sollen sie es auch deutlich so sagen.“ Fürst bekräftigte hingegen: „Wir wollen etwas machen.“ Nichts zu tun, sei keine Option.
Fürst, Präsident des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, hatte die Initiative gemeinsam mit dem Vorsitzenden der palästinensischen Gemeinde in Hannover, Yazid Shammout, angeregt. Dabei sollen jeweils rund 20 verletzte oder traumatisierte Kinder aus der Kriegsregion im Gaza-Streifen sowie aus Israel in deutschen Städten in Obhut genommen und medizinisch versorgt werden. Gemeinsam mit dem hannoverschen Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hatten Fürst und Shammout die Aktion in der vergangenen Woche vorgestellt. Inzwischen haben sich weitere Städte angeschlossen.
Staatsministerin Serap Güler (CDU) vom Auswärtigen Amt lehnte den Vorschlag jedoch ab. „Diese Idee ist nett für den Wahlkampf oder um damit punkten zu wollen, den Menschen selbst hilft sie aber nicht“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Viel wichtiger und hilfreicher sei es, Länder in der Region zur Aufnahme zu motivieren. Hier sei Deutschland bereits aktiv.
Fürst sagte, die Aktion der Städte habe mit Wahlkampf nichts zu tun, denn die Oberbürgermeister gehörten verschiedenen Parteien an, und Wahlen seien in den meisten Städten weit weg. „Es geht nicht darum, bei Wahlen zu punkten. Punkten wollen wir höchstens bei den Menschen, denen wir helfen wollen.“ Der Verbandschef äußerte sich empört über die Kritik aus Berlin. Für jedes einzelne notleidende Kind sei diese Hilfe sehr wertvoll.
Bei den Kindern aus Israel geht es laut Fürst um Drusen und Beduinen. Es handele sich um arabische Israelis, die unter den Attacken der islamistischen Hisbollah-Miliz auf den Norden Israels sowie unter dem Angriff der terroristischen Hamas-Miliz am 7. Oktober 2023 im Süden Israels gelitten hätten.
Auch Oberbürgermeister Onay hatte die Pläne der Städte gegen die Kritik aus Berlin verteidigt. Deutschland habe in der Vergangenheit auch verletzte Menschen aus der Ukraine oder misshandelte Jesiden aus dem Irak aufgenommen, sagte er am Mittwoch dem epd.
Die Städte Düsseldorf, Bonn, Kiel und Leipzig unterstützen den Vorschlag. Sie appellierten gemeinsam mit Hannover an die Bundesregierung, die Weichen dafür zu stellen, dass die Kinder aus dem Kriegsgebiet evakuiert werden können. Auch Freiburg hat inzwischen Interesse bekundet, sich zu beteiligen.
Eine Sprecherin von Außenminister Johann Wadephul (CDU) betonte am Mittwoch in Berlin, es sei der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, zivilgesellschaftliche Akteure bei der medizinischen Behandlung von minderjährigen Kindern aus Gaza zu unterstützen. Ob dies möglich sei, werde zurzeit geprüft.