Internationaler Gerichtshof bekräftigt Klimaschutzpflicht der Staaten

Internationaler Gerichtshof bekräftigt Klimaschutzpflicht der Staaten
Mehr als zwei Jahre hat sich der Internationale Gerichtshof mit den völkerrechtlichen Pflichten der Staaten beim Klimaschutz befasst. Nun liegt das Gutachten vor. Umweltschützer erkennen darin eine "neue Zeitrechnung im Klimaschutz".

Frankfurt a.M., Den Haag (epd). In einem wegweisenden Gutachten stärkt der Internationale Gerichtshof (IGH) die völkerrechtlichen Verbindlichkeiten der Staaten im Kampf gegen die Erderwärmung. Laut der am Mittwoch vom höchsten UN-Gericht in Den Haag veröffentlichten Rechtsauffassung enthalten die bestehenden Abkommen, aber auch das Völkergewohnheitsrecht verbindliche Pflichten zum Schutz des Klimasystems vor klimaschädlichen Treibhausgasemissionen.

Umweltorganisationen und Völkerrechtler sehen in dem Gutachten einen Meilenstein für einen ambitionierteren Klimaschutz weltweit. Der IGH habe eine „neue Zeitrechnung im Klimaschutz ausgerufen“, erklärte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser.

Konkret bezog sich das Gericht in Den Haag unter anderem auf die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Die Unterzeichnerstaaten seien verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasemissionen einzudämmen und sich an den Klimawandel anzupassen, hieß es. Beim Klimaschutz seien in diesem Zusammenhang die westlichen Industrieländer, die sogenannten Annex-I-Staaten, besonders gefordert.

Das Gutachten geht auf einen Antrag der UN-Vollversammlung aus dem Jahr 2023 zurück. Das Gericht sollte im Kern klären, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen Staaten zum Schutz des Klimasystems haben und welche Konsequenzen daraus folgen.

Der Völkerrechtler Markus Gehring von der britischen Cambridge University sprach von einem „großen Gewinn für alle Staaten, die besonders vom Klimawandel betroffen sind“. Der IGH habe in dem Gutachten die völkerrechtliche Verbindlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen gestärkt, sagte Gehring dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Insbesondere sei hervorzuheben, dass das Gericht in Den Haag auch aus dem Völkergewohnheitsrecht eine Pflicht zur Senkung von Treibhausgasemissionen herleite, sagte Gehring, der an der renommierten Cambridge-Universität forscht und lehrt. Dadurch könnten Staaten in die Verantwortung genommen werden, die bestehende Verträge, wie etwa das Pariser Klimaabkommen, verlassen.

Zwar ist das Gutachten für einzelne Staaten nicht unmittelbar bindend, aber es entfaltet politisch und rechtlich eine große Signalwirkung. Klimaklagen gegen Unternehmen vor nationalen Gerichten könnten dadurch beeinflusst werden. Auch rechnen Fachleute mit Impulsen für die Klimaverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen.

Das UN-Gericht äußerte sich in dem Gutachten auch zu Entschädigungen für von der Klimakrise besonders betroffene Staaten. Dies sei eine der möglichen rechtlichen Folgen aus einer Verletzung der dargelegten völkerrechtlichen Klimaschutzpflichten, hieß es.

Es war das erste Mal, dass sich der IGH in einem Gutachten mit dem Klimawandel auseinandersetzte. Gerichtspräsident Iwasawa Yuji bezeichnete die Erderwärmung bei der Verkündung in Den Haag als „existenzielle Bedrohung“.

Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam sprach von einem „historischen Gutachten“. Insbesondere die großen Wirtschaftsnationen müssten nun handeln und ihre Emissionen schnell und drastisch senken, sagte Nafkote Dabi, Oxfam-Leiterin für Klimapolitik. Der Politik-Vorstand der Umweltorganisation Germanwatch, Christoph Bals, rief die Bundesregierung dazu auf, das IGH-Gutachten zum Maßstab ihrer Klimapolitik zu machen.

Auch der Vorsitzende des Zentralausschusses des Weltkirchenrates, Heinrich Bedford-Strohm, begrüßte das Gutachten. Obwohl es rechtlich nicht verbindlich für die Staaten sei, stelle es eine „höchst relevante Rechtsorientierung durch das höchste Justizorgan der Welt dar“, erklärte der evangelische Theologe.