Keine einheitliche Haltung in katholischer Kirche zu Brosius-Gersdorf

Keine einheitliche Haltung in katholischer Kirche zu Brosius-Gersdorf
Die gescheiterte Wahl der Juristin Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin beschäftigt weiterhin die katholische Kirche. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken warnt vor einer Beschädigung der Kandidatin und der Demokratie.

Bonn, Aachen (epd). Nach der massiven Kritik konservativer Kreise an der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf haben mehrere Vertreter der katholischen Kirche zur Mäßigung aufgerufen. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, äußerte sich bestürzt über die Art, wie diese Auseinandersetzung geführt werde. Der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz warnte davor, das Thema Lebensschutz zu instrumentalisieren. Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister verteidigte hingegen die ablehnende Haltung von Vertretern der katholischen Kirche gegenüber Brosius-Gersdorf.

Die Art, wie diese Auseinandersetzung geführt werde, beschädige nicht nur die Kandidatin, sondern auch die Demokratie, sagte Stetter-Karp dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag. Es müsse grundsätzlich möglich sein, eine kontroverse Debatte zu politisch und ethisch brisanten Themen wie dem Beginn der Menschenwürde sachlich zu führen. Irritationen über die Äußerungen der Kandidatin zu diesem Thema hätten laut Stetter-Karp aber deutlich vor der anberaumten Wahl am 11. Juli ernst genommen werden müssen. Die politisch Verantwortlichen müssten sich fragen, wie sie den Schaden durch die Absetzung der Wahl beheben wollten.

Der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz erklärte, wer versuche, Lebensschutz für gesellschaftliche Spaltung zu nutzen oder mit ihm gezielt Spannungen zu verschärfen, verfehle seinen Sinn. Der „unbedingte Schutz menschlichen Lebens, ab seinem Beginn bis zum Ende“, sei ein zentrales ethisches Anliegen, erklärte der Erzbischof. Wer ihn jedoch instrumentalisiere, spreche „am Ende nicht mehr für das Leben, sondern nur noch gegen andere“, warnte Bentz.

Der Diözesanrat im Bistum Aachen kritisierte eine Stellungnahme von Bischof Helmut Dieser zu den Nominierungen für das Bundesverfassungsgericht scharf. Der Diözesanrat distanziere sich „ausdrücklich von der Diffamierung“ der Staatsrechtlerin Brosius-Gersdorf und der „damit untrennbar verbundenen Positionierung unserer katholischen Kirche an der Seite der Rechtspopulisten“, erklärte das Laiengremium am Freitag.

Der Aachener Bischof hatte in einer am 10. Juli veröffentlichten Erklärung an die Bundestagsabgeordneten appelliert: „Bitte sorgen Sie dafür, dass Positionierungen, die ein gestuftes Konzept der Menschenwürde vertreten und dem menschlichen Leben vor der Geburt diese Würde nicht zuerkennen wollen, im höchsten Gericht unseres Staates nicht wirkmächtig werden!“ Der Diözesanrat ist ein Gremium katholischer Laien mit Vertretern der Katholikenräte und der katholischen Erwachsenenbildung.

Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister verteidigte hingegen die ablehnende Haltung von Vertretern der katholischen Kirche. „Das ist weder unvernünftig noch radikal“, schrieb der katholische Theologe im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitag online). Es sei „die Konsequenz einer politischen Kontroverse, bei der es um nichts weniger als um die Auslegung der Menschenwürde geht und dabei um die Bedeutung und Ausgestaltung des Lebensschutzes“. Es gehe um Grundwerte und politische Kernthemen, schreibt Sautermeister, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist.

Die Wahl von drei neuen Richtern für das höchste Gericht in Deutschland war vor einer Woche vom Bundestag wegen koalitionsinterner Querelen über die Staatsrechtlerin kurzfristig vertagt worden. Der von der SPD als Bundesverfassungsrichterin vorgeschlagenen Juristin Brosius-Gersdorf war fälschlicherweise unter anderem vorgeworfen worden, sie befürworte die Möglichkeit von Abtreibungen bis zur Geburt.

In einer Expertenanhörung im Bundestag im Februar 2025 hatte sie sich allerdings lediglich zur Möglichkeit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis geäußert. Auch Stetter-Karp hatte vor der Wahl erklärt, sie sehe Brosius-Gersdorf wegen ihrer Haltung beim Abtreibungsrecht kritisch.