Frankfurt a.M., Berlin (epd). Zum zweiten Mal seit der Machtübernahme der Taliban hat Deutschland Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Am Freitagmorgen sei ein Flugzeug mit „schweren und schwersten Straftätern“ an Bord gestartet, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) im „Morgenmagazin“ der ARD. An der Vorbereitung des Fluges von Leipzig/Halle nach Kabul seien „strategische Partner“ beteiligt gewesen, konkret nannte Dobrindt Katar. Nach Angaben seines Ministeriums saßen im Flugzeug 81 afghanische Männer. Scharfe Kritik kam von Menschenrechtsorganisationen.
Die Abgeschobenen waren nach Angaben des Bundesinnenministeriums vollziehbar ausreisepflichtig und in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dobrindt betonte, schwere Straftäter hätten kein Aufenthaltsrecht in Deutschland.
Abschiebungen nach Afghanistan stehen aus mehreren Gründen in der Kritik, Menschenrechtsorganisationen lehnen sie wegen des autoritären Regimes dort vehement ab. Deutschland hatte auf Grundlage eines Abkommens bis zur Machtübernahme der Taliban 2021 Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abgeschoben. Die Ampel-Regierung sorgte Ende August 2024 für Schlagzeilen, als erstmals seit drei Jahren wieder ein Abschiebeflug nach Afghanistan ging. Es blieb bis Freitag der einzige.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte die neuerlichen Abschiebungen scharf. Diese seien „ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht“, erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Organisation, Wiebke Judith. Die Taliban gingen dort gegen Verstöße gegen ihre Sittenregeln mit brutaler Gewalt wie Auspeitschungen und Hinrichtungen vor. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbiete unter solchen Umständen Abschiebungen.
Auch die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, bezeichnete die menschenrechtliche Lage in Afghanistan als katastrophal: „Außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter sind in Afghanistan an der Tagesordnung.“
Die Taliban sind in Afghanistan seit August 2021 wieder an der Macht. Zwar hat sich die allgemeine Sicherheitslage im Land mit dem Abzug der von den USA angeführten internationalen Militärallianz verbessert. Aber große Teile der Bevölkerung werden unterdrückt; Frauen wurden weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannt.
Nach den Worten Dobrindts gab es vor dem Abschiebeflug sogenannte technische Kontakte zu der Taliban-Regierung in Afghanistan. Daran sei Katar beteiligt gewesen. Unmittelbare Verhandlungen mit den Taliban sind umstritten, die afghanische Regierung wird von Deutschland nicht anerkannt.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht in Gesprächen mit den Taliban über Abschiebungen aus Deutschland keine Neubewertung des Regimes in Kabul. Die diplomatische Anerkennung erfolge zwischen Staaten, sagte Merz am Freitag in der Bundespressekonferenz. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Afghanistan seien die diplomatischen Beziehungen „nicht abgebrochen worden“. Eine diplomatische Anerkennung des Taliban-Regimes stehe „überhaupt nicht zur Entscheidung an“, sagte der Kanzler.
Zuvor hatten sich am Freitagvormittag auch die Taliban zu der Abschiebung geäußert. Nach „ausführlichen Gesprächen“ mit der Bundesrepublik Deutschland seien Dokumente für die Abgeschobenen ausgestellt worden, erklärte ein Sprecher des afghanischen Außenministeriums auf der Internetplattform X und dankte zugleich Katar für die Vermittlung. Die 81 Männer würden am Freitag in Kabul erwartet.