Katholische Kirche uneins in Brosius-Gersdorf-Debatte

Katholische Kirche uneins in Brosius-Gersdorf-Debatte
Zur gescheiterten Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin gibt es innerhalb der katholischen Kirche unterschiedliche Positionen. Maria 2.0 wirft konservativen Bischöfen vor, sie hätten mit Falschbehauptungen argumentiert.

Frankfurt a.M. (epd). Innerhalb der katholischen Kirche gibt es Streit über die Positionierung zur gescheiterten Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf. Die Laienbewegung Maria 2.0 warf konservativen Bischöfen Verantwortungslosigkeit und Unglaubwürdigkeit vor. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, warnte vor einem Kulturkampf. Der evangelische Theologe Peter Dabrock sagte, die katholische Kirche solle bei solchen Themen „ein bisschen menschlicher“ agieren. SPD-Parlamentarier sehen bei der Union eine Doppelmoral in Bezug auf kirchliche Positionen.

Die Richterwahl war in der vergangenen Woche vom Bundestag wegen der koalitionsinternen Querelen über die Staatsrechtlerin kurzfristig vertagt worden. Der von der SPD als Bundesverfassungsrichterin vorgeschlagene Juristin Brosius-Gersdorf war fälschlicherweise unter anderem vorgeworfen worden, sie befürworte die Möglichkeit von Abtreibungen bis zur Geburt. In einer Expertenanhörung im Bundestag im Februar 2025 hatte sie sich allerdings lediglich zur Möglichkeit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis geäußert.

Die Laiengruppierung Maria 2.0 bezog sich auf eine gemeinsame Stellungnahme der Bischöfe von Passau und Regensburg, Stefan Oster und Rudolf Voderholzer. Am 9. Juli hatten sie gemeinsam erklärt, niemandem dürfe die Auslegung des Grundgesetzes anvertraut werden, der oder die „die Ansicht vertritt, dass der Embryo oder der Fötus im Mutterleib noch keine Würde und nur ein geringeres Lebensrecht habe als der Mensch nach der Geburt“.

Maria 2.0 bezeichnete es als das gute Recht der Kirchen, in bioethischen Fragen wie dem Lebensschutz eine klare Position zu haben. „Wer jedoch in politische Entscheidungsprozesse eingreift, ohne die Faktenlage zu prüfen, gefährdet nicht nur den konstruktiven Dialog, sondern auch die Glaubwürdigkeit eigener moralischer Ansprüche“, heißt es in der Mitteilung der Laienbewegung.

Der Limburger Bischof Bätzing verteidigte Brosius-Gersdorf. „Diese Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag). Auf die Frage, ob Vertreter der Kirche die Diskussionen um die Besetzung der Richterposten angeheizt haben, sagte er: „In dieser gesamten Debatte ist viel schiefgelaufen.“ Viele Personen, die mit der Richterinnenwahl befasst sind, seien dadurch beschädigt worden. „Es ist kein Thema für einen Kulturkampf. Wir können diesen Kulturkampf nicht gebrauchen. Es gibt zu viele Profiteure davon.“

Der Ethiker Dabrock sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk, bei Fragen von Schwangerschaftskonflikten gehe es um „höchst komplexe Debatten“. Brosius-Gersdorf habe auf diese Komplexität hingewiesen und vertrete eine Position, „die im Übrigen ich persönlich nicht teile, die aber im Diskurs eine normale Position ist“. Dass jemand mit so einer Haltung nun „so diskreditiert ist, das ist eigentlich das Problem“, urteilte Dabrock. Die Zurückhaltung von prominenten Vertreterinnen und Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Debatte nannte der frühere Ethikratsvorsitzende schade.

Die SPD-Parlamentarier Helge Lindh und Sebastian Roloff richteten im „Spiegel“ (Donnerstag online) Vorwürfe an die Union. Der Fall Brosius-Gersdorf sei ein Beispiel für „selektiven Umgang mit kirchlicher Einmischung im politischen Raum“, sagte Lindh. Noch im Frühjahr habe sich Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gegen Kritik der Kirchen an der Migrationspolitik der Union verwahrt, nun beriefen sich viele in der Union gern auf kirchliche Einlassungen. Auch Roloff kritisierte, beim Thema Migration verbitte sich die Union die Meinung der Kirchen, wolle aber auf einmal die eigene Politik daran ausrichten, „wo es manchen in die Agenda passt“.