Solingen (epd). In Solingen ist am Samstag ein „Frauenort Mevlüde Genç“ eröffnet worden, der das Leben und Wirken der Friedensbotschafterin würdigen soll. Ihr Name habe sich tief in das Gedächtnis des Landes eingeschrieben und sei untrennbar mit dem rassistischen Brandanschlag in Solingen vom Mai 1993 verbunden, durch den sie fünf Angehörige verlor, sagte Lorenz Bahr (Grüne), Staatssekretär im NRW-Integrationsministerium, bei der Einweihung. Mevlüde Genç (1943-2022) habe sich trotz ihres Leids nicht in Hass verloren, sondern den Weg der Versöhnung gewählt und dazu aufgerufen, Brücken zu bauen: „Sie wurde zur Stimme für Mitmenschlichkeit, für Respekt, für friedliches Zusammenleben.“
Gençs Lebensleistung stehe beispielhaft für das, was persönliches Engagement in der Gesellschaft bewirken könne, sagte Bahr. Ihre Haltung könne auch heute in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spaltung Orientierung geben: Ihre Geschichte dürfe nicht nur als tragisches Kapitel in Schulbüchern auftauchen, sondern müsse „Teil unseres kollektiven Gedächtnisses werden - als Leuchtturm für Menschlichkeit, als Symbol für Versöhnung und als Stimme gegen das Vergessen“. Bahr hob auch die Migrationsgeschichte der Familie Genç hervor: Zu oft würden die Beiträge von Menschen mit Einwanderungsgeschichte übersehen, besonders die Beiträge von Frauen.
Der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) sagte vor den rund Gästen der Veranstaltung, Mevlüde Genç habe ihren Satz „Liebe ist stärker als der Hass“ gelebt. Er hoffe, dass nicht nur in Kürze eine Plakette für den Frauenort aufgehängt wird, sondern dass von ihm auch „eine Bewegung ausgeht für mehr Vielfalt“.
Die Vorsitzende des Frauenrats NRW, Murielle Guéguen, nannte die Eröffnung des „Frauenortes Mevlüde Genç“ mehr als ein Erinnerungszeichen. „Wir geben damit auch ein Versprechen, dass wir nicht vergessen“, sagte sie. „Und dass wir uns als Gesellschaft immer wieder fragen: Wollen wir aufeinander zugehen oder uns voneinander abwenden?“
Das Projekt „Frauenorte“ will bedeutende weibliche Persönlichkeiten aus der Landesgeschichte sichtbar machen und ihre Errungenschaften durch Infotafeln ins kollektive Bewusstsein rücken. Bis Ende dieses Jahres werden auf diese Weise 57 Frauen an 52 Orten geehrt. Sie waren unter anderem Pädagoginnen, Politikerinnen, Malerinnen, Widerstandskämpferinnen, Wissenschaftlerinnen und Theologinnen. Der Frauenort auf dem Mevlüde-Genç-Platz in Solingen ist der 39. in Nordrhein-Westfalen. Träger des Projekts ist der Frauenrat NRW als Zusammenschluss von 45 Verbänden, die mehr als zwei Millionen Frauen vertreten.