Hamburg (epd). Der Sicherheitsexperte Peter Neumann plädiert für eine Normalisierung der Beziehungen zu den regierenden Taliban in Afghanistan. Im Gespräch mit dem „Stern“ (Samstag) sprach er sich für eine deutsche „Realpolitik“ im Umgang mit den radikal-islamischen Machthabern am Hindukusch aus, um den Abschluss eines Rückführungsabkommens zu ermöglichen.
Die Taliban seien seit 2021 relativ stabil an der Macht, sagte Neumann. Es gebe gibt seit Jahren keine echte Bedrohung ihrer Herrschaft. „Eine diplomatische Anerkennung ist keine Belohnung für gutes Verhalten“, betonte der Experte. Sie bedeute nicht, dass Deutschland akzeptiere, was dort geschieht. „Wir würden damit lediglich eine Realität akzeptieren.“
Neumann schloss sich der Forderung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) an, direkte Vereinbarungen mit den Taliban zur Rückführung afghanischer Straftäter und Gefährder zu treffen. „Wenn es kein Abkommen gibt, wird es außer symbolträchtigen Einmalaktionen auch keine systematischen Rückführungen geben“, sagte er.
Der Professor für Sicherheitsstudien am King’s College in London hob hervor, dass deutsche und europäische Diplomaten ohnehin längst über den Vermittler Katar mit den Taliban sprechen. „Das ist eine Tatsache - bisher wurde sie nur gut versteckt“, erklärte der Sicherheitsexperte.
Direkte Gespräche mit den Taliban könnten auch die Lage im Land verbessern, fügte Neumann hinzu: „Mit einer offiziellen Präsenz im Land könnten wir ganz sicher mehr für Menschenrechte und unterdrückte Bevölkerungsgruppen erreichen als ohne.“ Die bisher praktizierte Politik der Isolation sei völlig fehlgeschlagen.
Direkte Gespräche mit den Taliban hatte die Bundesregierung bislang ausgeschlossen, weil sie als Anerkennung des Regimes verstanden werden könnten. Eine Anerkennung schließt die Regierung auch weiter aus, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius am Freitag erklärt hatte.