Abschiebungen: Bundesregierung berät über Umgang mit Taliban-Regime

Abschiebungen: Bundesregierung berät über Umgang mit Taliban-Regime
Bundesinnenminister Dobrindt will Straftäter nach Afghanistan abschieben. Auch in der SPD ist man damit einverstanden. Über Dobrindts Forderung, dafür auch mit dem Taliban-Regime direkt zu reden, entzündet sich aber eine grundsätzliche Diskussion.

Berlin (epd). In der Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan berät die Bundesregierung über einen möglichen neuen Umgang mit dem Taliban-Regime. Im Koalitionsvertrag sei verabredet worden, dass es auch Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan geben solle, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Freitag in Berlin. Das sei ein „wichtiges Ziel“, angesichts der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, aber auch „ein schwieriges Ziel“. Der Frage, wie Vereinbarungen aussehen könnten, ohne das Taliban-Regime aufzuwerten oder sogar diplomatisch anzuerkennen, wich die Bundesregierung aus. Kornelius sagte nur, es werde „auf verschiedenen Ebenen über das Thema diskutiert und verhandelt“.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte sich in dieser Woche im „Focus“ dafür ausgesprochen, direkte Vereinbarungen mit Afghanistan über Rückführungen zu treffen. Es dürfe keine Dauerlösung bleiben, über Dritte Gespräche mit Afghanistan zu führen, sagte er. Dobrindt will vor allem Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abschieben.

Direkte Gespräche mit den radikalislamischen Taliban hatte die Bundesregierung bislang ausgeschlossen, weil sie als Anerkennung des Regimes verstanden werden könnten, das das Auswärtige Amt als „De-Facto-Regierung“ bezeichnet. Eine Anerkennung des Regimes schließt die Regierung laut Kornelius auch weiter aus. „Das ist im jetzigen Verhandlungsstand nicht Gegenstand der Debatte“, sagte er. Er ergänzte aber, unterhalb der Schwelle der Anerkennung gebe es „viele anlassbezogene technische Kontaktmöglichkeiten“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes verwies dabei unter anderem auf das deutsche Verbindungsbüro in Doha.

Abschiebungen nach Afghanistan sind umstritten, Menschenrechtsorganisationen lehnen sie wegen des autoritären Regimes dort vehement ab. Deutschland hatte auf Grundlage eines Abkommens bis zur Machtübernahme der Taliban 2021 Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abgeschoben. Die Ampelregierung sorgte Ende August 2024 für Schlagzeilen, als erstmals seit drei Jahren wieder ein Abschiebeflug nach Afghanistan ging. Es blieb seitdem der einzige.

Der innenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Sebastian Fiedler, bekräftigte am Freitag im Deutschlandfunk, dass es über die Absicht, Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abzuschieben, „nicht ernsthafte Diskussion“ in der Koalition gebe. Die aktuelle Diskussion drehe sich um die Organisation solcher Rückführungen, sagte er.

Fiedler plädierte dafür, nicht öffentlich darüber zu diskutieren, „auf welche Weise wir das hinkriegen“. Er räumte ein, die Situation sei „so ein bisschen ein Ritt auf der Rasierklinge“. Man wolle schwere Straftäter und Gefährder nicht in Deutschland haben, aber auch nicht mit den Taliban kooperieren, „als würde es sich um Vertreter eines normalen Staats handeln“.

Die Vereinten Nationen sprachen sich gegen eine zwangsweise Rückführung von Menschen nach Afghanistan aus. Die Sprecherin des UN-Hochkommissariats, Ravina Shamdasani, betonte, in Afghanistan seien anhaltende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Frauen und Mädchen seien besonders betroffen. Die herrschenden Taliban machten Frauen und Mädchen faktisch unsichtbar, raubten ihnen die Stimme und entzögen ihnen die Rechte auf Arbeit, Bildung und Freizügigkeit. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte habe auch Hinrichtungen dokumentiert.

Ähnlich ablehnend zu Rückführungen nach Afghanistan äußerte sich ein Sprecher des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge. Heimkehrende Flüchtlinge müssten Diskriminierung und Schikane erdulden, warnte das UNHCR.