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Einsam mit Kind zu Hause
"Mütter brauchen Netzwerke"
In Ihrem Buch erinnern Sie an eine Zeit, als es in Mietshäusern große Waschküchen gab, die gemeinschaftlich genutzt wurden. Heute steht in fast jedem Haushalt eine eigene Waschmaschine. Bei Ihnen liest es sich so, als würden Sie die Entwicklung bedauern. Warum?
Anja-Krug Metzinger: Natürlich will niemand zurück zu stundenlangem Wäschewaschen von Hand. Aber gemeinschaftliche Waschküchen waren ein Ort der zufälligen Begegnung. Solche Orte fehlen uns – und besonders den Müttern. Die Wäsche zu machen war in Waschküchen früher ein längerer Vorgang. Die Kinder waren dabei und spielten, die Mütter tauschten sich aus und knüpften Netzwerke. Es entstanden eine Gemeinschaft und Kontakte, die heute in modernen Wohnanlagen kaum mehr entstehen.
Sie schreiben: Nachts ist hinter manchen Fenstern noch Licht, weil Mütter versuchen, Dinge zu erledigen, die tagsüber liegen geblieben sind, weil die Kinder ihre ganze Aufmerksamkeit gefordert haben. Sind Sie wirklich durch die Straßen gelaufen, um dem Lebensgefühl heutiger Mütter nachzuspüren?
Ja, ich wollte wissen, wo noch Licht brennt, und habe Silhouetten einsamer Mütter gesehen. Diese Eindrücke habe ich durch Einträge in Internet-Foren vervollständigt, in denen sich Mütter austauschen. Und natürlich habe ich auch mit vielen Müttern gesprochen. So hat sich ein Gesamtbild herauskristallisiert: Viele Mütter erhalten tagsüber den Anschein aufrecht, dass alles perfekt funktioniert. Das spiegelt sich auch in Einträgen in sozialen Netzwerken wie Instagram wider. Dieselben Mütter suchen nachts nach Unterstützung.