Stuttgart (epd). Der württembergische evangelische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl stellt sich entschieden gegen eine Erklärung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), in der Israel im Umgang mit den Palästinensern Apartheid vorgeworfen wird. Die Behauptung, Israel sei ein Apartheidstaat, wies Gohl als „politischen Kampfbegriff“ zurück, der „sachlich falsch“ sei und die Debatte polarisiere, heißt es in einer am Mittwoch verbreiteten Mitteilung der Landeskirche.
Der Zentralausschuss des ÖRK hatte bei einer Tagung in Johannesburg im Juni die Politik Israels gegenüber den Palästinensern verurteilt. Die Erklärung fordert, die „Realität der Apartheid beim Namen“ zu nennen und Sanktionen gegen das Land zu verhängen. Der Vorsitzende des Gremiums, der frühere EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, verteidigte die Erklärung.
Der Apartheid-Begriff sei historisch mit dem rassistischen System in Südafrika verbunden und nicht auf Israel übertragbar, betonte dagegen Gohl. Er verwies auf Beispiele aus der israelischen Gesellschaft, wo etwa auch palästinensisches Personal in Medizin und Pflege arbeite. Zudem seien Araber gleichberechtigte Staatsbürger, Abgeordnete im Parlament und seien bereits an der Regierung beteiligt gewesen.
Gohl kritisierte weiter, die Erklärung des ÖRK lasse Empathie für Juden in Israel vermissen. Sie verschweige, dass die Terrororganisation Hamas mit ihrem Massaker am 7. Oktober 2023 die Gewalt ausgelöst habe. Zudem fehle die Forderung nach einer bedingungslosen Freilassung der Geiseln.
Gleichzeitig bezeichnete der Bischof das Leiden der Menschen in Gaza als „furchtbar“. Er forderte, die Besetzung des Westjordanlands und die Gewalt jüdischer Siedler klar zu kritisieren. „Empathie ist nicht teilbar!“, betonte Gohl. Die Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza mit Hilfsgütern müsse sichergestellt werden.
Angesichts des weltweit zunehmenden Antisemitismus mahnte der Theologe die Kirchen zu besonderer Verantwortung. Gerade christliche Kirchen sollen sich „ihrer historischen Schuld am Antisemitismus bewusst sein und ihn nicht noch befeuern“.
Der ÖRK-Zentralausschuss hatte in Johannesburg in einer einstimmig beschlossenen Erklärung Israel scharf verurteilt. „Wir erkennen und verurteilen das System der Apartheid, das Israel dem palästinensischen Volk auferlegt und damit das Völkerrecht und das moralische Gewissen verletzt“, erklärte das zweithöchste Leitungsgremium.
Der ÖRK umfasst derzeit rund 350 Mitgliedskirchen mit weltweit mehr als 580 Millionen Christen. Die katholische Kirche ist nicht Mitglied, arbeitet mit dem Weltkirchenrat aber zusammen.