Köln (epd). Im Zusammenhang mit dem Schadenersatz-Verfahren eines Opfers von sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln ist Strafanzeige gegen Kardinal Rainer Maria Woelki gestellt worden. Die Anwälte der Betroffenen werfen Woelki und weiteren Verantwortlichen der Bistumsleitung versuchten Prozessbetrug vor, wie die Strafanzeige ergibt, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Die betreffenden Mitglieder der Bistumsleitung hätten dem Landgericht Köln im Verfahren um die Amtshaftung des Erzbistums Dokumente aus der Personalakte des bereits verurteilten Missbrauchstäters vorenthalten, heißt es darin. Das Erzbistum äußerte Unverständnis über das Vorgehen. Zuerst hatten der WDR und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag über die Anzeige berichtet.
Die Strafanzeige gegen die leitenden Mitglieder des Erzbistums haben die Anwälte der Klägerin, der früheren Pflegetochter des verurteilten Priesters Ue., und der Sprecher der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, nach eigenen Angaben bei der Staatsanwaltschaft Köln eingereicht. Die Staatsanwaltschaft konnte den Eingang der Anzeige am Dienstagmittag auf epd-Anfrage noch nicht bestätigen.
In der Anzeige heißt es, durch das Vorenthalten von Dokumenten seien Sachverhalte, die für die Frage einer Amtshaftung der Kirche von entscheidender Bedeutung seien, in den Darlegungen der Bistumsanwälte verschleiert oder verfälschend dargestellt worden. Woelki ist nach Ansicht der Anzeige-Erstatter nicht nur als Letztverantwortlicher mit der Prozessführung vertraut. Alles spreche dafür, dass er „in alle Details eingebunden“ gewesen sei. Eine Entscheidung im Verfahren um die Klage der früheren Pflegetochter des als Serientäter verurteilten ehemaligen Priesters Ue. wird für den 1. Juli erwartet (AZ: 5 O 220/23).
Das Erzbistum erklärte auf epd-Anfrage, man kenne die Strafanzeige bisher nicht. „Der Klägerin liegt die Personalakte nach eigenem Vortrag im Gerichtsverfahren vor. Insoweit kann der Vertuschungsvorwurf nicht nachvollzogen werden.“ Zu laufenden Gerichtsverfahren äußere man sich ansonsten grundsätzlich nicht.
Die heute 58 Jahre alte Betroffene war von dem Priester Ue. als Zwölfjährige in Pflege genommen und in den Folgejahren vielfach missbraucht worden. Sie fordert Schmerzensgeld vom Erzbistum. Das Erzbistum bestreitet die Amtshaftung mit dem Argument, der Geistliche habe die Missbrauchstaten nicht in Ausübung seines Amtes begangen, sondern als Privatperson.
Die Klägerin und ihre Anwälte argumentieren hingegen, für die Übernahme des Sorgerechts durch den Geistlichen Ue. habe es einer Sondergenehmigung des damaligen Kölner Erzbischofs, Kardinal Joseph Höffner, bedurft. Zudem sei ein Priester nach katholischem Amtsverständnis „immer im Dienst“ und Ue. habe „die seelsorgerliche Komponente seines Wirkens zur Tatbegehung ausgenutzt“. Mit der Zustimmung zur Übernahme des Sorgerechts durch Ue. habe das Erzbistum die beiden Pflegekinder in den seelsorglichen Verantwortungsbereich der Kirche hineingenommen.
Die Dokumente, die nun zur Anzeige gegen Woelki geführt haben, enthalten laut den Anzeige-Erstattern unter anderem ausführliche Erörterungen der damaligen Bistumsleitung zur Verantwortung für das Wohl der beiden Pflegekinder. Zudem sei die Zustimmung des Erzbistums zur Übernahme des Sorgerechts an strenge Vorgaben geknüpft gewesen, darunter die Beschäftigung einer Haushälterin. Das sei jedoch nicht geschehen.
Katsch forderte, es müsse nun geklärt werden, „wer konkret davon wusste, dass die Sachverhalte verschleiert und verfälscht dargestellt wurden“. Es handele sich um Dokumente, die im Zuge des Strafverfahrens gegen Ue. bei der Staatsanwaltschaft gelegen hätten und wahrscheinlich aus der Personalakte oder aus sonstigen Unterlagen des Bistums stammten, sagte er dem epd.