"Dick gleich weniger gebildet" - Verein kämpft gegen Diskriminierung

"Dick gleich weniger gebildet" - Verein kämpft gegen Diskriminierung
23.06.2025
epd
epd-Gespräch: Dieter Sell

Berlin (epd). Anfeindungen und Vorurteile gegen übergewichtige Menschen können ernsthafte Folgen haben, sagt Natalie Rosenke von der „Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung“. Studien zeigten, „dass es bei Heranwachsenden, die Gewichtsdiskriminierung erleben, eine höhere Rate an depressiven Verstimmungen, Suizidgedanken und Suiziden gibt als bei Kindern, die diese Erfahrung nicht machen“, sagte Rosenke dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie ist Vorsitzende der Gesellschaft mit Sitz in Berlin, die seit 20 Jahren gegen Vorurteile wegen eines hohen Körpergewichts kämpft.

Die Diskriminierung beginne schon in der Kita, denn Kinder mit hohem Gewicht würden problematisiert, warnte Rosenke. „So wird ihnen schon früh vermittelt, dass sie nicht das geliebte Kind, sondern vor allem das Problem ihrer Eltern sind.“ Sie würden beim Spielen gemieden und es gebe Gleichsetzungen, die schon im Kita-Alter beginnen: „Dick gleich ungesund, nicht sportlich, weniger gebildet.“ Dünnsein werde als Lebensziel und Leistung vermittelt.

Das setze sich dann in der Schule, im Beruf und auch im Gesundheitswesen fort. Manchmal gebe es in Arztpraxen sogar Behandlungsverweigerungen. „Etwa beim Orthopäden, der bei Knieproblemen sagt, das sei ja nicht verwunderlich, kommen Sie mal mit 20 Kilo weniger wieder, dann schaue ich mir das auch an.“ Dazu komme, dass im Bereich der medizinischen Hilfsmittel und Geräte oftmals die richtige Ausstattung fehle, von ausreichend großen Blutdruckmanschetten bis zu passenden CT- oder MRT-Apparaten.

„Für uns ist ein Grundverständnis von Gewichtsvielfalt wichtig“, bekräftigte Rosenke. „Das heißt: Eine hoch gewichtige Person ist keine Person, die es nur noch nicht geschafft hat, dünn zu werden, sondern hohes Gewicht ist Teil der menschlichen Vielfalt.“ Doch die Wirklichkeit sehe anders aus. „Dicke Menschen haben ständig das Gefühl, sie müssen ihre eigene Existenz rechtfertigen.“ Deshalb setze sich die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung dafür ein, dass Körpergewicht als Diskriminierungskategorie politisch und gesetzlich anerkannt werde.

Konkret fordert der Verein, dass die Kategorie in Paragraf 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes aufgenommen wird, dem Antidiskriminierungsgesetz auf Bundesebene. Eine gesetzliche Anerkennung als Weichenstellung sei eine zentrale Voraussetzung für ein Umdenken in der Gesellschaft: „Gesundheit, sagen wir, ist nicht als Leistung zu erbringen.“