Berlin (epd). Im Fall der umstrittenen Zurückweisung von Asylsuchenden an deutschen Grenzen soll nach den Worten von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung fällen. Das Berliner Verwaltungsgericht habe in seiner Eilentscheidung moniert, dass die Begründung für die Anwendung von Artikel 72, einer Ausnahmeregel im Europäischen Recht, nicht ausreichend sei, sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). „Wir werden eine ausreichende Begründung liefern, aber darüber sollte der Europäische Gerichtshof entscheiden“, erklärte er.
An dem „Kurs und den verstärkten Grenzkontrollen“ werde er festhalten, bekräftigte Dobrindt. „Ich bin der Überzeugung, dass wir uns mit unseren Maßnahmen innerhalb des europäischen Rechts bewegen“, sagte der CSU-Politiker: „Wir müssen die Migrationswende auch deswegen herbeiführen, um zu vermeiden, dass politische Kräfte wie die AfD in die Lage kommen, radikale Lösungen umzusetzen.“
Eine Notlage nach dem Artikel 72 sehe er darin, „dass Deutschland in so vielen wichtigen Lebensbereichen überfordert“ sei. Städte, Gemeinden und Landkreise seien am Limit. „Wir stehen an einem gesellschaftlichen Kipppunkt“, sagte Dobrindt. Daraus entstehe eine Notwendigkeit zum Schutz der öffentlichen Ordnung.
Dobrindt betonte, nicht am Grundrecht auf Asyl rütteln zu wollen. „Ich habe keine Veranlassung, Artikel 16a des Grundgesetzes infrage zu stellen“, sagte der CSU-Politiker. Er werde keinen Vorschlag zur Abschaffung des individuellen Asylrechts unterbreiten. Zugleich verwies Dobrindt auf eine Diskussion auf europäischer Ebene, „ob das individuelle Recht auf Asyl noch Bestand haben kann oder ob man Kontingente für vulnerable Gruppen einrichtet“.
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am 2. Juni in einer Eilentscheidung in den Fällen von drei Menschen aus Somalia entschieden, dass die von der Bundesregierung forcierte Praxis der Zurückweisung an den Grenzen rechtswidrig ist. Es stützt damit die Argumentation zahlreicher Juristen und Kritiker, dass Deutschland bei Asylgesuchen auch bei Einreisen aus einem sicheren Drittstaat aufgrund des europäischen Dublin-Abkommens zumindest verpflichtet ist, zu prüfen, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist und nicht einfach zurückweisen darf.